Tag 15: Ruhe (11.03.2006, Samstag)
Evas Onkel ist ein netter älterer Herr mit drei Hunden. Zwei davon mussten draußen bleiben, aber die Älteste (Whisky) durfte ins Haus und regierte über ihr kleines Reich. Uns inbegriffen. Wir wurden natürlich sofort fürs Streicheln und Kraulen eingestellt. Und natürlich bekamen die Hunde auch so ziemlich das beste Essen. Zumindest besseres als der anwesende Vegetarier. Ich verbrachte die Zeit, die ich nicht mit Kraulen zubrachte nämlich mit zwei Beschäftigungen. Die erste war das beständige Erklären, dass Fleisch, Fisch und Geflügel nicht zum Speiseplan eines Vegetariers gehören, während Vegetarier durchaus Käse, Brot und Obst essen. Alles musste ich jeweils ungefähr fünf Mal erklären, ich war wohl die erste, die Evas Onkel jemals mit diesem Konzept konfrontierte. Und ja, Rippchen esse ich wirklich nicht.
Die zweite Tätigkeit war Fernsehen. Alles von Lokalnachrichten über Formel 1 bis hin zu einem uralten Zorro-Film mit Basil Rathbone in der Rolle des Bösewichts. Italienisches Fernsehen ist, gelinde gesagt, stumpf. In Shows gibt es zum Beispiel immer zwei Gastgeber. Erstens den Moderator, ungefähr Mitte vierzig, klein, schütteres Haar, aber sehr lebendig, so ein bisschen wie Roberto Benigni eben. Zweitens die Ansagerin, groß, vollbusig, gutaussehend und in knapper Kleidung, die eigentlich nur nett in die Kamera lächeln muss. Mein persönlicher Liebling war aber die Tampon-Werbung. In ihr flüsterte eine knapp bekleidete Frau lasziv in die Kamera, während ihr enormer Vorbau geschickt in Szene gesetzt wurde. Da frage ich mich ernsthaft, wer sich da die zielgruppengerechte Werbung ausgedacht hatte. Alles in Allem kann man italienisches Fernsehen aber recht gut verstehen, womöglich gerade wegen der offensichtlichen Stumpfheit. Bei dem alten Mantel-und-Degen-Film habe ich am Ende nicht einmal die Synchronisation bemerkt. Zorro-Filme sind schließlich auch alle für ihre ausgefeilten Plots bekannt.
Am Samstagnachmittag und abends schließlich war es fast warm und Evas Onkel wollte unbedingt Grillen. Nachdem ich ihm nochmals versichert hatte, dass ich weder Würstchen, noch Rippchen, noch Hähnchenkeulen esse, grillte er trotzdem genug für mindestens fünf Personen. Am Ende freuten sich die Hunde.
Evas Onkel hatte außerdem eine Vorliebe dafür, uns abzufüllen mit einem merkwürdigen Erdbeersekt-Gemisch namens Fragolino. Jedes Mal, wenn ich gerade mühsam mein Glas geleert hatte, hatte es sich plötzlich wieder wie durch Magie gefüllt und das Ganze ging von vorne los.
Sein Haus verfügte auch über zwei typisch italienische Badezimmer. Die zeichnen sich hauptsächlich dadurch aus, dass sich die Dusche mitten im Raum befindet. Ohne Duschvorhang. Man muss also zwangsläufig aufpassen, dass man alles (Handtücher, Kleidung, Toilettenpapier) vor den hereinbrechenden Wassermassen in Sicherheit bringen muss. Der wohl einzige sichere Ort war laut Eva ironischerweise das Waschbecken. Es funktionierte tatsächlich, allerdings hatte ich das Toilettenpapier vergessen, und so schrumpelte es fröhlich vor sich hin.