Gedichte
Auf dieser Seite findet ihr die meisten meiner Gedichte – ich schreibe hin und wieder welche, daher gibt es immer mal wieder etwas Neues zu lesen. Die Übersetzungen von Ishikawa-Gedichten, die ich einmal für ein Seminar geschrieben habe, befinden sich auf ihrer eigenen Seite.
Abgrund (2004) | Blatt im Winde (2021) | Blütenschauer (2010) | Der Dialog (2007) | Durch den Apparat (2008) | Düstere Wolken (2023) | Fenster (2004) | Friedhofsstimmung (2004) | Ich-Perspektive (2007) | Im Tagebuch Ishikawas (2010) | Innenwelten (2010) | Libelle (2004) | Metapher (2007) | Schnee/Flocke (2007) | Straßenbahn (2004) | Die Wälder meiner Kindheit (2021)
Gedichte
Abgrund
Der düstre Karneval
Tanzt durch nachtschwarze Straßen
Erhellt von dumpfem Fackelschein.
Die Kleider schwarz
Gesichter bedeckt mit weißen Masken
Deren aufgemalte Fratzen
Im Licht der Fackeln spottend Grinsen.
Auf einem Einrad
Ein Jongleur
Und bunte Kegel tanzen
Zum verhallenden Stakkato eines Cembalos
Und dem Klange der Violinen.
Schwärze, die, zerrissen
Von weißen Masken, bizarrem Lichtspiel
Grauseligen Tönen und schelmischem Lachen
Dem Blitzen stählerner Spinnfäden,
Die jedermann fangen und
In ein blutiges Ende treiben …
Blatt im Winde
Ein Blatt im Winde,
wie ein Zitronenfalter.
Die Gänse fliehen.
Ich blicke aus dem Fenster,
von Sommertagen träumend.
Blütenschauer
Ein Blütenschauer
kündigt von dem kalten Schnee,
der noch vor kurzem
die Bäume in Weiß hüllte.
Mein Herz friert trotz der Wärme.
Der Dialog
Ich war gestern in der Uni.
Ich will heute Baden gehen.
Und morgen hab ich dann Prüfung.
Das war ich das letzte Mal mit einem alten Freund.
Ich bin wirklich zu beschäftigt in letzter Zeit.
Ich vermiss ihn wirklich sehr,
und natürlich die Gespräche die wir hatten.
Eigentlich möchte ich nur mal wieder mit Freunden reden
und nicht an so was denken müssen.
Aber mit dir kann man ja auch gut reden.
Ich glaube heute ess’ ich Pizza.
Durch den Apparat
Ich wurd’ einmal
aus grünen Rosenfeldern
hinausgetragen in die Welt.
Das bunte Licht,
glitt mich durch
Glasbauwände und von
schwarzem Stahl,
in Dunkelheit.
Die Wärme fror in meinen Gliedern.
Die Zahnräder zermahlten meine Seele.
Im Reich der Logik
zerschlug man mich in Blütenblätter.
Nun, nach all den Jahren,
gemalt von Picasso
stehe ich in Ratio und rechten Winkeln,
zerbogen, gekittet mit
Sekundenkleber, und suche meine
Spiegelscherben, in den Untiefen
des Apparats.
Düstere Wolken
Düstere Wolken.
Der Horizont verschleiert
das lachende Herz.
Betrübende Gedanken
flattern mit jedem Tropfen.
Fenster
Ich sehe aus dem Fenster:
1 Baum, grüne Blätter, zum Teil braunrot-gelb, Espe
3 Kinder auf einem verrosteten Klettergerüst.
Lärm
1 Fahrradfahrer, das Fahrgestell ist schwarz.
Das Haus gegenüber, Plattenbau, renovierungsbedürftig
braune, abblätternde Farbe
violett auf weiß gepunktete Vorhänge
einen alten Mann mit Mütze, der die Straße entlangschlurft
eine Meise (Kohlmeise vermutlich) auf einem der Äste.
Friedhofsstimmung
Zwischen immergrünen Bäumen,
und verschlungenen, halbverwachsenen Pfaden,
kauern sie und säumen
als unsteter Faden
das Ende von Träumen.
Die grauen Steine stehen stoisch,
die alten gebeugt, mit verwitterter Schrift.
Moos wächst launisch,
wo die grüne Brandung sie trifft.
Auf den Pfaden, ausgetreten und leer,
wandert nur der Nebel noch,
morgens, wenn die Kälte schwer,
sich an die Ritzen klammert, in die sie nächtens kroch.
Vom fahlen Mondlicht illuminiert,
tanzen die nassen Geister
den Totentanz, vom Wind dirigiert.
Ich-Perspektive
Ich seh’ mich nicht,
Aber dich seh’ ich,
Doch ob ich dich
Wirklich seh’,
Weiß ich nicht.
Denn wenn ich dich seh’,
Seh’ ich nur mich,
Und weil ich mich
Doch nicht seh’,
Seh’ ich dich nicht.
Was ich dann seh’,
Das weiß ich nicht.
Nur was ich nicht seh’,
Das weiß ich.
Warum auch nicht?
Im Tagebuch Ishikawas
Heute las ich im
Tagebuch Ishikawas
und seine Tankas.
Mir wurde unwohl ums Herz,
so ähnlich waren wir uns.
Innenwelten
In meinem Kopf: eine Tür.
Schwere Eisenscharniere
Halten das sonnengebleichte Eichenholz
In halboffener Schwebe.
Hinter der Tür: Schönheit.
Blaue Himmel über vollen Wiesen,
Bunte Häuser stehen in strahlendes Licht gebadet,
Mein Herz singt bei dem Gedanken.
Vor der Tür: ich.
Zögernd, sehnend, ängstlich.
Soll ich den Schritt wagen?
Die grauen Gänge warnen mich.
Ich tu’ ihn nie.
Doch manchmal, da stolpert
Mein nachtsames Selbst
Durch sie hindurch und findet:
Mein Schicksal.
Libelle
Eine Libelle hängt im Spinnennetz
Und strampelt und zappelt
Windet sich in aussichtslosem Todeskampf,
während sich die stählernen Fäden schließen.
Zarte Flügel schimmern bunt,
im fahlen Morgenlicht,
als ein letztes Zucken,
kaum wahrnehmbar,
durch den gelb-grün gefleckten Leib geht.
Metapher
Ich stehe hier,
auf Messers Schneide,
und im Glashaus.
Ich werfe den Stein,
wenn auch nicht den ersten.
Ich sitze
auf glühenden Kohlen,
spiele mit dem Feuer,
hole die Kohlen hinaus,
indem ich die Hände hineinlege.
Ich laufe Gefahr,
Hals über Kopf,
selbigen zu verlieren,
während ich die Beine in die Hand nehme
und durch Spießruten stolper’.
Schnee/Flocke
Weiße Flocken tänzeln leise,
Schleichen in der Dunkelheit.
Drehn sich unbeschwert im Kreise,
Sind sie doch dem Tod geweiht.
Mann für Mann und Halm um Ziegel,
Kämpfen sie sich bald voran.
Schmiegen sich an sanfte Giebel,
Ziehen Licht wie Motten an.
Senkt sich Helligkeit am Morgen,
Ist die Welt in Weiß getaucht.
Verschluckt sind Eile, Hast und Sorgen,
Bis die Kraft des Schnees verraucht.
Straßenbahn
Schwärze, durchbrochen von tanzenden Schatten,
Inseln, vom schummrigen Dämmerlicht der Straßenlaternen,
Licht spiegelt sich in nassen Pflastersteinen,
durchbrochen von braun-roten Flecken.
Vorbei an neoklassizistischen Fassaden,
unpassend entstellt von blasser Reklame,
vorbei an Bäumen im herbstlichen Kleid,
von denen glitzernde Tropfen platschen.
Im flackernden Neonlicht
Treffen sich braune Taschen und bunte Mäntel
Und Regenschirme, unter denen sich dreckige Pfützen bilden;
Ein Schniefen, ein Klappern, verstohlene Blicke
Unter endlosem Rattern und Schaukeln,
in ununterbrochener Monotonie.
Die Wälder meiner Kindheit
Mächtige Buchen
Thronen
Majestätisch
Über tiefbraunem Laub
Stolze Blätter
Saftig grün
Spenden wohltuenden Schatten
Schmächtige Birken
Klammern sich
Verzweifelt
In erbarmungslosen Torf
Sie zittern
Im Winde
Der Natur zum Trotz
Eintönige Fichten
Marschieren
In Reih’ und Glied
Ersticken den Boden
In ausgemusterten Nadeln
Eine düstere Armee
Der Industrialisierung