Kapitel VII: Ein neuer Bekannter
Sie waren zwei Tage geritten, als sie schließlich eine breite und gepflasterte Straße erreichten. Melanon hatte Celia bereits erzählt, dass sie die Verbindung zwischen den drei großen Städten des Landes Caronia, in dem sie sich befanden, war. Sie führte von Ario, einer Stadt im Norden an der Bucht von Marela nach Erador im Westen und schließlich bis nach Ronia, der Hauptstadt im Zentrum. Nun waren sie ungefähr auf halber Strecke zwischen Ario und Erador. Sie waren recht schnell gewesen.
Die meiste Zeit war Oreas vorangeritten, während Celia und Melanon etwas weiter hinten nebeneinander her ritten, sich unterhielten oder stumm auf Oreas Rücken starrten. Celia hatte sich immer noch nicht wirklich ans Reiten gewöhnt. Abends war sie immer zerschlagen und ihre Muskeln schmerzten fürchterlich. Trotzdem hielt sie weiter tapfer durch. Sie wollte sich vor Oreas keine Blöße geben. Dabei wünschte sie sich nichts sehnlicher als eine kleine Pause. Und genügend Zeit, um ihre Erlebnisse zu dokumentieren. Melanon hatte ihr zwar versichert, dass sich die Schmerzen mit der Zeit besser werden würden, aber das war nicht wirklich ein Trost. So sehr sie Heria inzwischen liebgewonnen hatte, sie bevorzugte es immer noch, zu Fuß zu reisen.
Auf dem Weg hatten sie in zwei Dörfern halt gemacht. Im ersten hatten sie übernachtet, was Celia einige Probleme bereitet hatte. Es war einfach zu laut für sie gewesen. Im Wald war es nachts zwar auch nicht unbedingt leise, aber die Menschen und ihre Tiere waren doch um einiges lauter. Dazu kamen noch die fremden Gerüche. In der Hütte hatte es wirklich gestunken, wohl, weil auch der Hund (so eine Art gezähmter Wolf, hatte Melanon gesagt, auch wenn er mit seinem goldenen Fell gar nicht wie ein Wolf aussah) dort schlief und an der Decke getrocknetes und geräuchertes Fleisch hing. So kam es, dass Celia am nächsten Tag Mühe hatte, auf dem Pferderücken nicht einzunicken. Und auch Oreas schien mitgenommen zu sein. Manchmal vergaß Celia einfach, dass er auch zur Hälfte Elf war und dadurch bessere Sinne als Melanon haben musste. Als sie Melanon schließlich fragte, wie er denn dort hatte schlafen können, hatte er gesagt, dass er an einiges gewöhnt war. Weiter fragen wollte sie lieber nicht, da er ein wirklich grimmiges Gesicht gemacht hatte.
So entschieden sie sich dann auch, die nächste Nacht lieber im Freien zu verbringen. Im zweiten Dorf kauften sie sich zusätzlich ein wenig Proviant und ließen die Pferden etwas Ruhe, während Oreas einen Vetter mütterlicherseits besuchte. Mehr ein Anstandsbesuch, da sich die beiden kaum mehr als zehn Minuten unterhielten (oder eher anschwiegen, sie hatten sich kaum etwas zu sagen). Es erschein Celia so, als ob selbst seine Familie nichts mit ihm zu tun haben wollte. Dadurch tat er ihr nur noch mehr leid. Mit ihrer eigenen Familie hatte sie zwar auch so ihre Problem, aber immerhin redeten sie noch miteinander, und sowohl ihre Mutter als auch ihre Großmutter liebten sie aufrichtig, das wusste sie.
Viele der Menschen, die Celia traf, waren geradezu dürr und ausgemergelt. Ihre Kleidung war abgetragen und wirkte, als wäre sie schon seit Jahrzehnten im Gebrauch. Wiederholt fragte sie sich, wie der König so etwas nur zulassen konnte. Er vernachlässigte seine Pflicht. Sie traute sich jedoch nicht, Melanon oder sogar Oreas darauf anzusprechen. Das Verhalten vom ersten Abend war ihr noch deutlich in Erinnerung. Irgendwie schien das für beide ein wunder Punkt zu sein.
Nun sah Celia die breite Straße vor sich, die sich scheinbar durchs Nichts schlängelte. überhaupt war hier alles ein großes Nichts für die Elfe. Die Hügel sahen in ihren Augen alle vollkommen gleich aus und es gab kaum Orientierungspunkte. Und an die Weite hatte sie sich auch immer noch nicht gewöhnt. Sie hatte das Melanon erzählt und der hatte nur gelacht und gesagt, ihm ginge es im Wald genauso. Etwas, das Celia absolut nicht verstand, da Bäume doch alle so unterschiedlich aussahen.
Sie folgten der Straße ein paar Stunden in südlicher Richtung, bevor sie an einer Quelle Rast machten. Ihnen waren einige Reisende begegnet, die Celia besser in ihr Bild von den Menschen einordnen konnte als die Bauern. Sie sahen mehr aus wie die Händler, die sie im Wald so oft beobachtet hatte. Auch waren sie nicht halbverhungert und ihre Kleidung war … nicht abgetragen und ausgewaschen. Die starken Farben überraschten die Elfe sogar sehr. Im Wald trugen sie alle recht helle, meist pastellfarbene Kleidung, und selten mit auffälligen Farbkombinationen. Aber die Menschen bevorzugten offenbar bunte Muster, etwas, das sie überraschte, da ihre beiden Begleiter eher unauffällig gekleidet waren. Melanons graue Kutte und Oreas braune oder grüne Kleidung waren zwar immer noch dunkler gefärbt, als ihr eigenes weißes Wams, aber verglichen mit dem gelb-rot karierten Wams und dem himmelblauen Umhang eines der Händler war das wirklich ausgesprochen dezent.
Von allen Passante erntete die kleine Gruppe seltsame Blicke, einige neugierig und andere voller Abscheu. Waren sie wirklich so außergewöhnlich? Die meisten schienen jedenfalls der Ansicht zu sein. Oreas ignorierte es oder starrte finster vor sich hin, Melanon ignorierte es und lächelte freundlich (und leicht traurig, wie Celia bemerkte) und die Elfe kam sich nach einer Weile dumm vor und starrte genauso zurück. Ihr Benehmen war für Elfenstandards absolut schlecht, aber die verstörten Reaktionen amüsierten sie und sorgten dafür, dass Melanons lächeln ein echtes wurde. Sogar Oreas starrte nicht mehr so finster.
Sie waren nicht alleine an der Quelle. Ein Mann gönnte seinen Pferden ebenfalls eine Rast. Er war ein Händler, die Pferde grasten ein paar Meter von seinem vollbepackten Karren entfernt während er sein Mittagessen vorbereitete. Sie waren bereits alle drei abgestiegen (Celia immer noch etwas langsamer als die anderen beiden), als er sie schließlich bemerkte und freundlich grüßte. Melanon erwiderte höflich und Celia konnte nicht anders als schüchtern zu lächeln. Menschen verunsicherten sie immer noch, das ließ sich nicht so schnell abschalten. Und zusätzlich trug dieses Exemplar wieder so irritierende Kleidung (grün und rot, wenn auch ein wenig abgetragen). Sie und Melanon gingen hinüber, und da ihr nicht wirklich etwas einfiel, über das sie reden könnten, hörte sie einfach der Unterhaltung zwischen den beiden zu. Sie hatte schon vorher festgestellt, dass Melanon ein Talent für den Umgang mit Menschen zu haben schien. Und er war ausgesprochen höflich, anders als Oreas, der auch mal etwas grob werden konnte.
„Sie sind ein Magier, nicht wahr?“
„Nein, ich war aber Schüler, deshalb die Kleidung.“
Melanon hatte ihr nur sehr wenig über die Magier erzählt. Sie wusste bloß, dass sie so eine Art Elite waren, alle auf der Insel Perelos ausgebildet wurden und die selbe Kleidung trugen. Celia hätte gerne mehr gewusst, sie beherrschte wie alle Elfen ein wenig Magie und wollte wissen, was es mit der Magie der Menschen auf sich hatte.
„Haben Sie die Ausbildung abgebrochen? Das ist aber sehr ungewöhnlich in Ihrem Alter. Sie müssten doch bald fertig gewesen sein. Und dabei ist es schon schwer, überhaupt akzeptiert zu werden.“
Melanons lächeln gefror, doch dem anderen Menschen schien es nicht aufzufallen. Celia mochte es nicht, wenn er so reagierte. Seine Augen hatten dann immer diesen undefinierbaren Ausdruck und es machte ihr auf unbestimmte Weise Angst. Vielleicht lag es daran, dass sie in diesen Momenten spürte, dass unter der Oberfläche noch ein anderer Melanon schlummerte, einer, dem viel schlimmes passiert sein musste.
„Es war eine Familienangelegenheit.“ Celia konnte sich nur wundern, wie er seine Stimme so gut unter Kontrolle behalten hatte.
„Ah, ich hoffe es ist nichts schlimmes passiert.“
„Nein, mein Vater hat lediglich seine Pläne für mich geändert.“ Jetzt hörte man seiner Stimme eine Spur von Bitterkeit an.
Der Händler schwieg kurz, besann sich dann aber doch seiner Manieren und stellte sich vor.
„Wie unhöflich von mir, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt und stelle schon persönliche Fragen. Reda Ihanowa, Händler aus Irokraxia, hauptsächlich Stoffe, wie man an meinem Wagen sehen kann.“
Er hatte recht. Wenn man sich den Wagen genauer ansah, konnte man feststellen, dass er voller bunter Ballen war. Celia fragte sich nur, was Irokraxia war.
„Melanon. Und das hier ist Celia.“
Redas Augen musterten nun Celia und sie fühlte sich unter seinem Blick irgendwie unwohl, als versuche er, sie bis auf ihr Innerstes zu durchschauen.
„Eine Elfe, nicht wahr, verzeihen Sie meine Unhöflichkeit, ich habe noch nie eine aus der Nähe gesehen.“
Celia brachte nur ein entschuldigendes lächeln und ein Nicken zustande.
„Wohin reisen Sie?“, fragte Melanon. Er schien sich über irgendetwas nicht ganz im Klaren zu sein.
„Ronia. Und keine Sorge, ich habe nichts gegen Elfen und werde ihre kleine Freundin schon nicht massakrieren“. Er lächelte und hob beschwichtigend die Hände. Celia runzelte die Stirn. Warum sollte der Mann etwas gegen Elfen haben? Sie blickte zu Melanon und hoffte auf eine Erklärung, doch sein Blick schien in etwa „später“ zu sagen.
„Wir auch, meine Familie wohnt dort“, sagte er stattdessen und lenkte somit vom Thema ab.
„Wirklich? Ich habe gehört, die Stadt soll wundervoll sein. Stimmt das? Ich war leider noch nie dort.“
„Ja, alle sagen, dass Ronia die schönste Stadt auf ganz Derlova ist. Mit Ausnahme vielleicht der Stadt der Wasserelfen, aber die ist den Menschen ja verboten. Ich kann mich zwar nicht mehr so genau erinnern, aber das was ich noch weiß … die Gärten sind besonders schön.“ Doch irgendwie schien er nicht wirklich begeistert von der Schönheit der Stadt zu sein. Er blickte wieder in die Ferne, ein Zeichen, dass er sich an etwas aus seiner Kindheit erinnerte, wie Celia inzwischen wusste.
Reda nickte. „würden Sie mir vielleicht beim Essen Gesellschaft leisten? Dann könnten wir etwas mehr reden, und es wäre sinnlos, zwei Feuer zu machen. Ich hasse es eigentlich, alleine auf Reisen zu gehen, besonders ins Ausland. Ich kenne hier ja niemanden und da freue ich mich über jedes Gespräch.“
Melanon überlegte kurz, stimmte dann aber zu und rief Oreas herüber. Reda musterte auch ihn aufmerksam, als er auf sie zuging.
„Reda Ihanowa. Noch ein Elf, wie ich sehe.“
Oreas Miene wurde schon beim Erwähnen des Namens sauer und bei der Unterstellung er sei ein Elf schließlich bitter.
„Nein, ich bin ein Halbelf“, presste er zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. Es folgte eine bedrückende Stille. Nach dem ersten Schock schlich sich Missbilligung in Redas Züge und Oreas starrte ihn weiter eisern an. Melanon brach schließlich die Stille.
„Herr Ihanowa hat uns zum Essen eingeladen.“
Erst schien Oreas vor Wut förmlich zu explodieren, doch dann besann er sich eines besseren und ging wieder zu den Pferden, um das Geschirr zu holen. Reda sah ihm nachdenklich nach. Celia war verwirrt. Und sie hatte das Bedürfnis, Oreas zu verteidigen, auch wenn sie nicht wusste wovor.
„Haben Sie etwas gegen ihn?“, fragte sie scharf. Melanon war von diesem Ausbruch irgendwie überrascht. Er hatte die Elfe nie wirklich wütend gesehen.
„Nein, ich denke nur, es sollte … ach , auch egal.“
Celia schürzte die Lippen. Sie wusste genau, was er dachte, und es gefiel ihr nicht, aber zu erwidern wusste sie auch nichts. Reda maß sie erneut mit Blicken und blieb dann an ihrem Wams hängen.
„Wenn du mir die Frage verzeihst, woraus ist dieser Stoff gemacht? So etwas habe ich noch nie gesehen.“
Die Elfe war perplex. Eben noch war sie mit ihren Gedanken ganz wo anders gewesen und jetzt musste sie erst einmal seine Frage einordnen. Als die Zahnrädchen in ihrem Gehirn endlich eingerastet waren, antwortete sie schließlich mit einer detaillierten Pflanzenbeschreibung und der Schilderung des Herstellungsprozesses. Sie war schließlich höflich.
Das Essen verlief auch besser als gedacht. Sowohl Reda als auch Oreas rissen sich zusammen und waren sogar so höflich ein paar reservierte Worte miteinander zu wechseln. Nach dem Essen duzten sie sich bereits (mit Ausnahme von Oreas und Reda, die dazu übergegangen waren, sich größtenteils zu ignorieren) und Reda überredete sie schließlich, mit ihm zu reisen, da sie ja das gleiche Ziel hatten. In dem Moment, in dem Oreas zustimmte, schien Oreas ihn am liebsten mit seinen Blicken erdolchen zu wollen, aber außer Celia schien das niemandem aufzufallen. Sie war sich auch nicht ganz sicher, was sie von dem Händler halten sollte. Einerseits fand sie ihn interessant, aber der Kommentar über Oreas nagte immer noch an ihr.
Gemeinsam folgten sie weiter der Straße. Oreas ritt einige Meter voraus während Celia und Melanon neben dem Wagen blieben. So hatte Reda dann auch die Möglichkeit, sich ein wenig mit ihnen zu unterhalten. Wobei schnell klar wurde, dass er Gesellschaft offenbar wirklich vermisst hatte, denn der Dialog war in Wahrheit mehr ein Monolog. Er redete unaufhörlich und am Abend kam es Celia so vor, als wüsste sie praktisch alles über ihn und gleichzeitig nichts. Sie wusste alles über seine Frau, seine drei Kinder, seine Freunde, sein Lieblingsessen und ein wenig über seine Geschäfte. Von den Unmengen an Anekdoten schwirrte ihr der Kopf.
Irgendwie war er ihr ja doch sympathisch, aber wie konnte ein Mensch nur stundenlang reden ohne etwas zu sagen. Sie hatte wirklich fast nichts relevantes aus dem „Gespräch“ ziehen können. Vielleicht war das ja auch seine Absicht. Ihre und Melanons Antworten auf seine wenigen Fragen waren auch mehr oder weniger einsilbig, und auch das gab ihr wieder zu denken. Waren sie alleine, konnten sich die beiden stundenlang unterhalten. über Belangloses ebenso wie über ihre Familienprobleme (auch wenn Melanon seine nicht erwähnte, wusste sie, dass er welche hatte) oder Celias Forschungen. Sie hatte das Gespräch mit ihm wirklich vermisst. Und am Abend war sie zu müde, ihn noch nach Irokraxia zu fragen, oder danach, warum Reda zwei Namen hatte.
*
Am nächsten Tag ging Reda dazu über, Fragen nach der Vergangenheit seiner Mitreisenden zu stellen. Sowohl Oreas (Reda wurde nach einer vorsichtigen Frage in Grund und Boden gestarrt) als auch Melanon waren nicht sehr auskunftsfreudig. Melanon erzählte nur, dass sie schon lange Freunde waren, Oreas seinen Hof verlassen hatte, um Melanon zu begleiten, und dass ihr Leben in keinster Weise ungewöhnlich wäre. Celia und Reda konnten daran nur zweifeln, sagten aber nichts.
Celia hingegen erzählte dem Händler vergleichsweise viel, nicht, dass ihr jemals großartig etwas passiert wäre. Jedenfalls, wenn man gewisse Kleinigkeiten verschwieg, zum Beispiel ihren Vater und die Tatsache, dass sie eine Prinzessin war. Aber sie erzählte von ihrem großen Interesse an den Menschen und dass sie ihre Gebräuche näher kennen lernen wollte. „Eine Forschungsreisende also“, war Redas Kommentar, und er fragte sie, was ihr schon alles passiert war. Das wiederum brachte Celia dazu, erst die Geschehnisse im Dorf wiederzugeben und dann stundenlang über Häuser und Türen zu philosophieren. Danach kamen dann die verschiedensten Tierarten und merkwürdigen Bräuche (namentlich: Geld) an die Reihe. Ihre Taktik schien Erfolg zu haben, nach einiger Zeit hörte er nur noch mit halbem Ohr zu. Sie sah es als Rache für den Vortag an.
Am Nachmittag gelang es Celia und Melanon endlich, sich etwas abzusetzen und so ritten sie Seite an Seite etwas hinter dem Wagen. Das gab Celia die Möglichkeit, ihren Freund endlich auszufragen.
„Melanon, was ist Irokraxia?“
Angesprochener schreckte aus seinen Gedanken hoch, wunderte sich aber sofort über seine Überraschung. Eigentlich hätte er die Frage erwarten sollen.
„Irokraxia ist das Land nordwestlich deines Waldes. Es ist das kleinste auf Derlova und liegt auf einer Halbinsel.“
Celia sah ihn erwartungsvoll an. Für sie gab es immer noch offene Fragen, zum Beispiel warum Melanon und Oreas so merkwürdig auf Redas Herkunft reagiert hatten. Also sah sie ihn einfach an und wartete darauf, dass er fortfuhr. Sie wusste genau, dass Melanon sich vollkommen im Klaren darüber war, dass sie noch nicht zufrieden war.
Er seufzte. „Irokraxia ist das einzige Land auf Derlova, in dem keine nichtmenschlichen Wesen wie Elfen oder Zwerge leben. In Caronia, Nikloral und Akweah gibt es beide, auch wenn die Elfen meistens unter sich bleiben und die Zwerge ein eigenes Reich besitzen. Nur die Wasser- und Erdelfen aus Nikloral bilden eine Ausnahme. Besonders die Erdelfen haben viel Kontakt zu den Menschen und in Nikloral gibt es auch kaum Ausgrenzung. Hier in Caronia gibt es einige Windelfen im Nordosten und eine handvoll Erdelfen im Süden. Dafür gibt es vergleichsweise viele Zwerge. Die Nichtmenschen werden bei uns geduldet, oder im Falle der Zwerge sehr geschätzt. In Irokraxia ist das anders. Der König hat vor mehr als hundert Jahren entschieden, dass kein Nichtmensch irokraxianischen Boden betreten darf. Er war der Ansicht, dass Elfen und Zwerge das Blut der Menschen schwächen. So ist es bis heute auch geblieben. Deswegen sind Oreas und ich natürlich nicht besonders gut auf sie zu sprechen. In der Schule der Magier gab es einige Irokraxianer und ich habe mich ziemlich oft mit ihnen angelegt.“
„Aber Reda ist anders, er ist nett zu mir.“
„Ja, aber bei der Vermischung des Blutes hört seine Toleranz wohl auf.“
„Warum denken sie denn, dass Elfen ihr Blut schwächen?“
Melanon zuckte nur die Schultern. „Das wissen sie bestimmt selber nicht genau.“
Nach einer kurzen Pause fragte Celia erneut etwas: „Zwerge gibt es wirklich?!“
Etwas eine Sekunde sah Melanon sie entgeistert an, nur um dann einen Lachanfall zu bekommen. Schließlich brachte er es doch noch fertig. Bejahend zu nicken.
„Ich dachte immer, sie wären nur Sagengestalten …“
„Sie leben gerne in Höhlen, und nicht mal die Erdelfen mögen sie. Ich weiß auch nicht, woran es liegt, aber Elfen und Zwerge kommen nicht miteinander aus.“
„Höhlen?!“, Celia verzog das Gesicht, „Wie kann man nur in Höhlen leben?! Die sind so dunkel und sogar mit Fackel gruselig! Ich habe mal welche bei uns erkundet.“ Sie schüttelte sich – und Melanon lachte weiter.
„Und warum hat Reda eigentlich zwei Namen? Einer reicht doch?“
„Das ist in Irokraxia so üblich. Sein zweiter Name ist ein Familienname. Der gibt an, wer seine Verwandten sind, weil sie alle den selben haben. Bei uns sagt man stattdessen einfach den Namen seines Vaters und die Stadt oder Gegend aus der man kommt.“
„Aha“ Familiennamen? Wozu brauchte man die denn? Gab es so viele Menschen, dass alle Namen so häufig waren, dass man sie noch weiter auseinanderhalten musste?
„Hast du schon mal einen anderen Melanon getroffen?“ Sie selbst wusste nur von einer Elfe, die ebenfalls Celia hieß, und die war schon über hundertfünfzig.
„Nein, aber ich habe die letzten zehn Jahre auch auf einer kleinen Insel verbracht, da waren die Chancen wirklich gering.“
*
Die kleine Gruppe reiste noch einige Tage weiter auf der Straße, bis sich die Hügel lichteten und sich eine große, blaue Fläche vor ihnen auftat. Wieder einmal konnte sie nicht anders, als mit weit aufgerissenen Augen auf das Wunder vor ihr zu starren. Es war einfach atemberaubend. Sie war sprachlos, so unglaublich war der Anblick. Fast automatisch fand ihre Hand den ärmel von Melanons Kutte und zupfte daran, während sie mit der echten einfach auf das blaue Etwas zeigte.
„Das Meer“, antwortete er und fügte hinzu, „Ein ziemlich großer See aus Salzwasser, das heißt, wir sind bald in Erador.“