Kapitel XVI: Wieder zurück
Eiskalter Wind fegte über das Gras vor dem Wald und er ließ Celias Gesichtsmuskulatur fast erstarren. Im Gegensatz dazu schlug ihr Herz beim Anblick ihrer Heimat höher und sie wollte am liebsten sofort in den Wald hineinlaufen. Gleichzeitig fühlte sie sich aber seltsam benommen, denn die Bäume starrten sie an, als würden sie es ihr vorwerfen, dass sie weggegangen war. Alles schien ihr merkwürdig fremd, während ihr gleichzeitig alles so bekannt vorkam.
Entschlossen und mit freudiger Nervosität nahm sie Herias Zügel in die Hand in die Hand und führte sie auf den Wald zu. Sowohl sie als auch Oreas’ Pferd scheuten, folgten dann aber doch ihren Herren in das Dickicht. Oreas war dabei mindestens genauso nervös wie die Pferde; seine Zweifel gegenüber ihres Vorhabens hatten sich in den zwei Tagen seit dem schicksalhaften Nachmittag auf dem Hof noch nicht in Luft aufgelöst. Am Waldrand sah er sich zögernd um, und Celia musste lächeln, als sie sich an den Tag im Frühsommer erinnerte, an dem sie selbst in eine andere Welt gegangen war.
Doch auch Celia hatte ihre Zweifel. Sie wusste, dass die Elfen ihren Bruder nicht ohne weiteres bei sich aufnehmen würden, und die betete inständig, dass sie ihre Mutter dazu bewegen konnte ihn aufzunehmen. Und so legte sie sich die Worte zurecht, während sie immer tiefer in den Wald vordrangen, langsam, um den Pferden ihre Zeit zu lassen, und immer noch aufmerksam horchten. Die Vögel in ihrer Umgebung verstummten schnell, und Celia wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die Elfen sie bemerken würden. Schließlich waren sie viel zu laut und die Vögel und Insekten zu leise.
Sie passierten gegen Mittag einen Grenzstein. Er stand immer noch so unverändert da, wie er es in den letzten Jahrhunderten getan hatte. Das Moos wucherte immer noch fröhlich auf dem verwitterten grauen Fels. Celia war zuhause.
Die Stille im Wald wurde nur doch das dumpfe Pochen der Hufe auf dem Waldboden und das sanfte Rascheln der roten Blätter über ihnen gestört. Man hätte meinen können, dass es kaum eine idyllischere Szenerie gab, wäre da nicht dieser Hauch von Spannung gewesen, der in der Luft lag. Die Pferde scheuten wieder, und sowohl Celia als auch Oreas klammerte sich an ihren Zügeln fest. Beruhigen strich Celia Heria die Hand durch die Mähne und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr. Leise knickten Zweige um und das Laub raschelte. Sie waren da.
Sich immer noch an Heria festhaltend wandte Celia den Kopf. Es waren mindestens zwanzig Männer, bewaffnet mit Holzlanzen, die sich als erstes aus dem Unterholz hervorschoben. Alle zeigten entweder auf sie oder auf Oreas. Vergeblich suchte sie nach einem bekannten Gesicht, bis—
„Celia!“ Sie erkannte die Stimme sofort und fuhr herum.
„Selion!“ Ihr Freund hatte kaum eine Sekunde mehr um sich vorzubereiten, da war sie ihm schon um den Hals gefallen. Es tat so gut, wieder zuhause zu sein, und ihr war gar nicht aufgefallen, dass er ihr doch gefehlt hatte. Vermutlich lag das daran, dass sie mit der Zeit fast gar nicht mehr an ihn gedacht hatte.
„Du bist wieder da“, raunte er, als er sie in die Arme schloss. Doch wie jeder andere schöne Moment war auch dieser viel zu schnell vorbei. „Wer ist das?“, fragte er, und nickte dabei zu Oreas hinüber, der immer noch inmitten der Lanzen stand. Celia löste sich aus seiner Umarmung.
„Das ist Oreas“, sagte sie so nonchalant wie möglich. „Mein Bruder“, fügte sie nach einigen fragenden Blicken hinzu. Und dabei versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen. Sie hoffte inständig, dass es niemandem auffallen würde, dass ihre selbstsichere Fassade eben nur eine Fassade war. Oreas hingegen fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut und wandte die Augen nicht ein einziges Mal von den zugespitzten Stöcken ab.
„Da hast keinen Bruder“, stellte Selion irritiert fest.
„Doch. Er ist mein Halbbruder, um genau zu sein“ Nach einem Moment schien er endlich zu verstehen, was genau Celia mit dem Wort „Halbbruder“ implizierte. Seine Augen weiteten sich und er starrte Oreas erschrocken an. Sie konnte förmlich spüren, wie er jedes Detail in Oreas’ Gesicht aufs Genaueste betrachtete und analysierte.
„Er ist ein Halbelf“, erläuterte Celia, bevor Selion seine Frage überhaupt in Worte fassen konnte.
„Er ist Halbmensch?! Wie konntest du ihn hierher bringen? Er wird anderen Menschen von uns erzählen, und dann werden sie auch herkommen und die Bäume fällen und den Wald zerstören. Du bringst uns alle in Gefahr!“
„Oreas würde so was niemals tun. Außerdem ist er immer noch einer von uns. Wenigstens zur Hälfte. Du hast doch keine Ahnung, wovon du redest!“
„Und du schon? Woher willst du überhaupt wissen, dass er dein Bruder ist? Er könnte dir sonst was vorlügen und du würdest ihm alles glauben.“
Celia schwieg. Sie wusste nicht, wie sie es am besten beschreiben sollte. Es war so viel passiert, und alles schwirrte ihr zur selben Zeit durch den Kopf. Schließlich entschied sie sich: „Ich habe Vater getroffen. Außerdem gibt es ja nicht gerade viele Waldelfen, die den Wald jemals verlassen haben, oder?“
„Er lebt noch?!“
Nicht nur Selion war sichtlich erstaunt darüber, auch die anderen Elfen um sie herum hatten damit wohl nicht gerechnet. Sie hatten ja schließlich auch Jahre damit verbracht, sich Geschichten von dem törichten Elf zu erzählen, der auszog, nur um in der Außenwelt irgendeinen mysteriösen Tod zu finden.
„Ja. Und er wird niemals zurückkommen“, sagte sie bitter.
„Warum?“
„Er mag es in der Welt der Menschen. Und er hat eine Aufgabe gefunden, für die er alles andere im Stick lassen würde. Wirklich alles.“
„Und warum hast du den da“ – er gestikulierte wild zu Oreas hinüber – „dann mitgebracht?“
„Weil der da dummerweise nirgendwo anders hin kann“, mischte sich Oreas bissig ein. „Glaub mir Elf, ich bin darüber etwas genauso froh wie du, aber meine Möglichkeiten für den Winter sind leider etwas beschränkt. Andernfalls wäre ich doch nie im Leben auf die Idee gekommen, ausgerechnet hierher zu gehen.“
„Und was ist mit deinem Verräter von Vater? Warum gehst du nicht zurück zu ihm und deiner Schlampe von Mutter?“, entgegnete Selion. Oreas war kurz vorm Explodieren, das konnte jeder sehen. Seine Finger zuckten, als wollten sie sich zu Fäusten ballen, doch zum Glück für alle hatte er sich genug unter Kontrolle, um Selion nicht anzufallen wie ein wildes Tier. Selion starrte ebenso feindselig zurück und der Griff um seine Lanze verstärkte sich so sehr, dass seine Fingerknöchel weiß hervorstanden.
„Seine Mutter ist tot und mit Vater versteht er sich nicht, aber das kannst du alles nicht verstehen. Bring uns einfach zu Mutter. Ich werde ihr alles erklären, bitte Selion“, bettelte sie. Das Blickgefecht brach aber trotzdem erst ab, als Celia ihn am Arm berührte. Und selbst dann gab Selion nur sehr widerwillig den Befehl dazu, die Lanzen zu senken.
„Also gut, aber wenn der da irgendetwas anstellt, kann er was erleben. Bei diesem Menschenpack weiß man schließlich nie, was sie als nächstes tun werden.“
„Keine Sorge, Elf. Ich kann mich benehmen, wenn ich das will. Bei dir bin ich mir da aber nicht so sicher.“
Auf diese Beleidigung hin warf Selion Oreas noch einen abfälligen Blick über die Schulter zu, bevor er sichtlich angespannt vorausging. Celia hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache und irgendetwas sagte ihr, dass das nicht der letzte Streit zwischen ihrem Bruder und Selion gewesen sein würde. Es war ja fast so, als würde es ihnen Spaß machen, sich zu streiten und einander zu bedrohen.
Die Pferde tänzelten immer noch etwas unsicher, da die Anwesenheit der Elfen sie nervös machte. Die Elfen hingegen hatten gehörigen Respekt vor den Pferden und steckten sie so mit ihrer Nervosität an. Die wenigsten der Elfen hatten jemals ein Pferd aus der Ferne betrachtet, so wie Celia früher. Es schien ihr fast schon ein Leben lang her gewesen zu sein, dass sie sich hinausgeschlichen hatte, um die Wagen auf der Straße zu beobachten.
Die stille Prozession, die sie bildeten, drang langsam aber sicher immer tiefer in den Wald vor, und schlängelte sich dabei zwischen moosbewachsenen Baumstämmen und Bächen hindurch. Selion warf Oreas immer wieder abschätzige Blicke zu, doch der sah sich entweder mit gespieltem Interesse die Umgebung zu und versuchte sich den Weg zu merken, oder er widmete seine Aufmerksamkeit seinem Pferd.
Celia konnte deutlich den Zweifel auf Oreas’ Gesicht sehen, als sie das Elfendorf schließlich erreichten. Es hatte wirklich nicht viel Ähnlichkeit mit den Dörfern, die er kannte, auch ihn Vater ihm mit Sicherheit hin und wieder von seiner Heimat erzählt hatte. Wahrscheinlich entsprach seine Vorstellung nur nicht dem, was er dann tatsächlich sah.
Die Plattformen in den Bäumen sahen genauso aus, wie sie sie in Erinnerung hatte und für einen kurzen Moment führte sie sich unendlich erleichtert. Sie war zuhause. Endgültig. So wirklich konnte sie gar nicht mehr verstehen, dass sie je weggewollt hatte. Doch dann fiel ihr Blick auf die Elfen, die ihre kleine Gruppe entsetzt anstarrten. Es stimmte, hier war alles noch wie vorher, aber sie hatte sich verändert. Unsicher sah sie zu Oreas hinüber, und mit einer Bestimmtheit, die sie sich nicht wirklich erklären konnte, wusste sie, dass das hier etwas war, das sie beide tun mussten. Sofern man sie nicht gleich wieder davon jagte. Sie hoffte nur, dass sie ihre Mutter überreden konnte. Sie würde mit Sicherheit bleiben können, die Frage war nur, ob sie Oreas akzeptieren würde. Sie wollte lieber gar nicht daran denken, solange sie nicht wirklich musste.
Je näher sie ihrem Zuhause kamen, desto mulmiger wurde ihr zumute, und als sie ihre Mutter auf sich zulaufen sah, wollte ein Teil von ihr am liebsten so schnell wie möglich davonlaufen. Innerlich bereitete sie sich auf ein furchtbares Donnerwetter vor uns sie kniff die Augen zu, um es wenigstens nicht mit ansehen zu müssen. Doch entgegen ihren Erwartungen fühlte sie, wie ihre Mutter ihr um den Hals fiel und sie so stark drückte, dass Celia fast keine Lauft mehr bekam. Erst da merkte sie, dass ihre Mutter vom Weinen zitterte und Tränen auf ihre Schulter tropften.
Ihr schlechtes Gewissen meldete sich mit einem hohlen Gefühl in ihrem Magen. Sie hatte gar nicht darüber nachgedacht, wie es ihrer Mutter dabei ging, dass sie einfach so verschwunden war. Vor allem, weil eine Reise in die Menschenwelt für sie dem sicheren Tod gleichen musste.
„Mama“, flüsterte sie erstickt.
„Celia“, schluchzte ihre Mutter. „Was stellst du bloß immer für Sachen an …“ Celia wurde rot. Wenn ihre Mutter so etwas sagte, kam sie sich immer vor wie ein kleines Kind. Für die Elfen war sie das wohl auch irgendwie noch.
„Wir müssen reden, Mama“, murmelte Celia schließlich. Mit einem undeutbaren Blick löste sich Cilea von ihr und beachtete zum ersten Mal die, die hinter ihrer Tochter standen. Ein Hauch von Angst schlich sich in ihre Augen, als sie die Pferde sah, die immer noch ein wenig nervös waren (Celia vermutete es lag an dem Verhalten der Elfen) und besonders lange blieb ihr Blick an Oreas hängen. Celia konnte sich vorstellen, was in ihr vorging. Sie konnte ihn nicht einordnen, so wie sie es damals nicht gekonnt hatte.
Mit einer Geste bedeutete Cilea ihrer Tochter, ihr zu folgen, doch Celia zögerte und drehte sich zu Oreas um. Der schien etwas unentschlossen.
„Ich will die beiden nicht mit denen alleine lassen, wer weiß, was sie mit ihnen machen.“ Die Elfen waren sichtlich beleidigt und Celia runzelte nachdenklich die Stirn.
„Keine Sorge. Dafür haben sie viel zu viel Angst vor ihnen.“
Oreas wollte immer noch nicht so wirklich von den Pferden weg, doch dann rang er sich doch noch dazu durch, zu Celia hinüberzugehen. Doch Selion hatte andere Pläne.
„Halt!“, rief er. „Wir können ihn unmöglich mit euch alleine lassen.“
Celia rollte nur mit den Augen. „Er tut niemandem was. Also lass es gut sein“, erwiderte sie ärgerlich.
Widerstrebend ließ Selion sie gewähren, doch man sah ihm an, dass es das letzte war, was der tun wollte. Schweigend kletterten Celia und Oreas hinter ihrer Mutter die Leitern herauf. Es sah alles genauso was, wie sie es verlassen hatte. Oreas beäugte das Mobiliar misstrauisch, während Cilea ihn beäugte.
„Wisst du uns nicht vorstellen?“, fragte sie, die Stimme immer noch etwas schwach vom Weinen.
„Mutter, das ist Oreas“, begann sie brav. „Er ist ein Halbelf“, fügte sie erklärend hinzu. Cilea war sichtlich überrascht.
„Ein Halbelf? Wie kann das sein?“
Celia schwieg. Sie wusste beim besten Willen nicht, wie sie es ihrer Mutter am besten beibringen sollte. Fast so, wie sie es kurz vorher bei Selion nicht wusste.
„Er ist mein Bruder, Mutter.“
Cilea riss die Augen auf und es schien fast so, als würde sie Oreas in diesem Moment zum ersten Mal richtig sehen. Der hingegen fühlte sich sichtlich unwohl unter dem Blick von Celias Mutter und starrte mürrisch in die Baumkronen.
„Toheras …“, murmelte Cilea, uns es wirkte so, als wolle sie wieder anfangen zu weinen. „Ist er, ich meine, lebt er noch?“
Celia konnte nicht anders, als zu Boden zu blicken. Sie hatte sich selten so mulmig gefühlt, vor allem, weil ihr gerade klar wurde, dass sie nicht einmal wusste, was ihre Mutter überhaupt für ihren Vater empfand. Liebte sie ihn noch? Oder hatte sie ihn schon längst vergessen. Hatte sie ihn zusammen mit ihren Erinnerungen begraben? Würde sie sein Verhalten als Verrat sehen oder würde sie ihn verstehen? In Wirklichkeit kannte sie ihre Mutter kaum, und über solche Dinge hatten sie nie miteinander gesprochen.
„Ja“, sagte Celia knapp.
„Geht es ihm gut? Ist er glücklich?“
„Ich weiß es nicht.“ Cilea hatte zum Glück genug Feingefühl, um nicht weiter nachzufragen. Stattdessen blickte sie einfach nur in die Leere, ausdruckslos, so als wäre sie an einem völlig anderen Ort.
„Kann er bleiben?“, fragte Celia schließlich zaghaft. Ihre Mutter schreckte hoch.
„Ich weiß nicht. Es … er sollte besser nicht bleiben. So wäre es besser.“
„Aber es ist doch schon Herbst. Und er wüsste nicht, wo er sonst den Winter über bleiben sollte.“
Cilea seufzte und runzelte die Stirn. Dann musterte sie Oreas ein Weile, doch er starrte immer noch nach draußen. „Willst du wirklich bleiben?“
Oreas hob zur Antwort nur die Augenbraue.
„Also gut. Er kann bleiben. Vorläufig.“
Celia nickte erleichtert.
*
Oreas sollte bei ihnen wohnen. Eine gute Entscheidung, soweit es Celia betraf. Eine ausgesprochen schlechte, wie Selion ihr lautstark zu verstehen gab, als sie Oreas durch das Dorf führte. Er und seine Freunde blieben immer in der Nähe, fast so, als erwarteten sie, dass Oreas jeden Moment über sie herfallen könnte. Dabei mussten sie doch gehört haben, was sie besprochen hatten. Elfen kannten schließlich keine Wände, und im Weghören waren sie schon immer schlecht gewesen.
Celia ließ ihren Bruder schließlich etwas abseits vom Dorf mit seinem Schwert alleine. Er wollte üben, und wohl auch für einen Moment alleine sein. Er fühlte sich von alldem wohl irgendwie bedroht. Und sie verstand das, denn sie wusste noch zu gut, wie es sich angefühlt hatte, plötzlich in der Welt der Menschen von allem überrumpelt zu werden. Außerdem hatte er sich nie wirklich daran gewöhnt, von allen angestarrt zu werden.
„Na, hat er sich doch noch entschieden, wieder zu seinesgleichen zurückzukehren?“
Celia fuhr herum. Selion lehnte an einem Baum und verzog missmutig das Gesicht. Celia fiel auf, dass sie sich nicht einmal mehr daran erinnern konnte, wann sie ihn das letzte Mal glücklich gesehen hatte. Irgendwie wirkte er meistens unzufrieden. War es nicht anstrengend, nie gute Laune zu haben?
„Nein. Und das wird er wohl erstmal auch nicht.“
„Warum hast du ihn mitgebracht. Er hat hier nichts zu suchen!“
„Er ist mein Bruder, Selion. Und er konnte doch sonst nirgendwo hin.“
„Er hat hier trotzdem nichts zu suchen. Er ist keiner von uns.“
„Weißt du, das ist mir ziemlich egal. Lass mich in Ruhe!“
Selions Ohrenspitzen wechselten gerade ihre Farbe, als Celia sich umdrehte und eilig davonstapfte. Er rief ihr noch etwas hinterher, aber sie verstand nicht, was es war. Im Grunde genommen war es ihr auch egal. Sie wollte einfach nur noch von ihm in Ruhe gelassen werden. Und der einzige Ort, an den er ihr nicht hinterherlaufenwürde, war ihr Zuhause.
Als sie dort ankam, saß ihre Mutter immer noch da, wo sie Stunden zuvor gesessen hatte, und sie blickt erstaunt auf, als Celia die Leiter hinaufgeklettert kam.
„Wo ist … Oreas?“
„Er wollte ein bisschen für sich sein.“
Cilea zögerte sichtlich, so als wüsste sie nicht recht, ob sie wirklich die Antwort auf die Frage hören wollte, sie ihr im Halse steckte. Schließlich wurde ihr Blick entschieden.
„Wie ist sie?“
„Wer?“
„Die Frau, für die Toheras „ seine Mutter.“
„Ich weiß nicht. Sie ist tot. Schon seit Jahren.“
„Aber dein Vater—“
„Lebt wirklich noch.“
„Hast du ihn gesehen?“
Celia nickte. „Bevor wir hierher gekommen sind. Er … er hat sich entschieden. Für etwas, das weder Oreas noch ich verstehen. Es ist ihm viel wichtiger als alles andere.“
„Ist das der Grund, warum er nicht zurückgekommen ist?“
„Nein. Ich glaube es wäre nicht … Er mochte es draußen. Das ist seine Welt.“
„Aber du bist zurückgekommen.“
Celia nickte.
„Was ist so besonderes an der Welt da draußen?“
Celia dachte nach, darüber, wie sie es in Worte fassen sollte. Bis ihr einfiel, dass sie das ja schon einmal getan hatte. Sie ging hinüber zu ihrem Rucksack, der an den Baumstamm gelehnt worden war, und nahm ihre Notizen heraus. Sie drückte sie ihrer Mutter in die Hände, die sie fragend ansah.
„Das habe ich geschrieben, während ich weg war.“
Als Oreas zur Abenddämmerung zurückkam, las ihre Mutter immer noch, über Pferde, Hühner, Betten, Türen und den Krieg. Oreas sah erst ihre Mutter und dann sie an, legte das Schwert ab und setzte sich neben sie. Fast so, als wären sie eine richtige Familie. Als wäre sie Zuhause.
Fin