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Rodo, 2023

Kapitel X: Enthüllungen

König Meror war ein beeindruckender Mensch, wie er da oben auf seinem Thron saß („thronte“ beschrieb seine Haltung eigentlich besser) und auf Celia und die anderen herabsah. Seine Haltung strahlte Würde aus, keine Frage, aber gleichzeitig wirkte er locker, wie er sich mit seinem rechten Arm auf der Lehne abstützte. Seine Haare und sein Vollbart waren hellbraun. Seine dunklen Augen passten nicht in das Gesicht, das von einer markanten Nase dominiert wurde. Doch das war nicht das erste, was der Elfe an ihm auffiel. Es war seine Aura. Genauer gesagt, die Art, auf die er seinen Sohn ansah. Kalt. Herablassend. Sie konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass dieser Mann Melanons Vater sein sollte. Er war so anders. Und natürlich würde das Melanon zu einem Prinzen machen, und es enttäuschte Celia irgendwie, dass er ihr nicht davon erzählt hatte.

Lange ansehen konnte Celia den König aber nicht. Sie konnte nur aus den Augenwinkeln schauen. Den Kopf bewegte sie lieber nicht. Genau wie ihre Begleiter. Langsam kam sie sich lächerlich vor, wie sie sich auf dem Boden kniete und sich nicht zu bewegen wagte. Das war ziemlich unhöflich vom König, wie sie fand. Seine Gäste so zu behandeln. Sie spürte förmlich, wie er sie unter die Lupe nahm, während sie so unauffällig wie möglich von einem zum anderen schielte.

„Dein Brief war nicht besonders aufschlussreich“, sagte der König schließlich. Sein Ton schwankte zwischen ärgerlich und gelangweilt. Seine Augen blickten irgendwo in den hinteren Teil des Saales, so, als nähme er seinen Sohn gar nicht war. Nur hin und wieder bohrte sich sein Blick in Melanons Kopf.

„Es tut mir leid, Vater.“ Das erste Mal, dass Melanon ihn so nannte, fiel Celia auf. Aber sie merkte deutlich, dass es ihm nicht Leid tat. Die Entschuldigung war reine Formsache. Und der König schien das auch zu wissen. Er presste die Lippen ärgerlich zusammen. Melanon hätte den Brief anders schreiben können. Mit Sicherheit. Egal, was er geschrieben hatte. Dass er es nicht getan hatte, bedeutete entweder, dass es egal war, oder dass sein Vater so oder so wütend gewesen wäre. Sie hätte zu gerne gewusst, was zwischen den beiden vorgefallen war, dass sie so miteinander umgingen.

„Du hättest daran denken können. ‚Keine Sorge, mir ist nichts passiert. Ich habe einen Freund besucht und ich wurde aufgehalten‘, das hat mir nicht wirklich viel verraten. Das nächste Mal, hättest du vielleicht die Güte, zu erklären, was dich aufgehalten hat, und wen du besucht hast, und warum? Das wäre wirklich zu freundlich.“ Sein Ton war bissig und spöttisch. Celia fragte sich ernsthaft, was er mit dem nächsten Mal meinte.

Melanon sagte nichts. Es schien, als warte er auf die nächste verbale Attacke seines Vaters.

„Ihr könnt jetzt aufstehen.“ Der König gestikulierte mit seiner Hand. Sie standen auf. In diesem Moment war Celia ihm wirklich dankbar. Es war ziemlich unbequem auf dem harten und kalten Steinboden gewesen. Ihr Knie fing schon an wehzutun und fühlte sich komisch an, als sie schließlich stand. Oreas sah den König direkt an, was Celia sich nicht traute. Es lag an seiner Präsenz, dass ihre Augen sich weigerten, ihm in die seinen zu schauen.

Oreas Blick war ausdruckslos. Irgendwie stumpf. So sah sie ihn selten. Normalerweise brannte in seinen Augen ein Feuer. Wut. Vielleicht war es auch einfach nur der unbändige Wille, sich nicht unterkriegen zu lassen. Aber jetzt fehlte das. Und es ließ ihn irgendwie seltsam erscheinen. Celia hätte zu gerne auch in Melanons Gesicht gesehen, aber er stand mit dem Rücken zu ihr, und so ging es nicht. Aber wenigstens konnte sie sehen, dass er den Kopf nicht hängen ließ, sondern kerzengerade dastand. Der König musterte sie noch einmal. Oreas ließ er dabei aus. Er würdigte ihn nicht einmal eines Blickes.

„Nun Melanon, ich weiß nicht, warum du diesen Nichtsnutz hier angeschleppt hast. Es wäre besser gewesen, er wäre bei seinem Vater geblieben. Du weißt, ich kann und werde ihn hier nicht dulden. Der alten Zeiten wegen darf er diese Nacht bleiben, aber morgen soll er wieder gehen. Und ich hoffe für ihn, dass er nicht in Richtung Süden reitet.“

„Oreas hat nichts mehr mit seinem Vater zu tun, Vater.“ Melanons Stimme war ruhig. Fast so, als würde er Celia ein Problem zum fünften Mal erklären, weil sie es beim vierten immer noch nicht verstanden hatte. Nun, er würde ihr nach diesem Tag einige Fragen beantworten müssen, denn sie verstand nicht, worum es ging.

„Und woher willst du das wissen? Er könnte dich angelogen haben, um an Informationen zu kommen. Ich weiß, du hast ein loses Mundwerk, was ihn angeht. Oder er könnte selber versuchen, mich oder dich umzubringen.“

„Vater, Oreas ist mein Freund. Er würde mich niemals—“

„Euer Majestät“, schaltete Oreas sich ein „Ich habe meinen Vater vor fünf Jahren das letzte Mal gesehen. Wir haben uns gestritten und er ist gegangen. Ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört, geschweige denn ihn gesehen. Ich weiß nicht mal, wo er ist. Für mich ist er gestorben.“

Der König bedachte ihn mit einem besonders herablassenden und verachtenden Blick. In etwa so, als würde er ihn gleich von einem der bewaffneten Männer hinausschleifen lassen. Aber Oreas ließ sich nicht einschüchtern. Er fuhr ungerührt fort. „Wenn ich Kontakt zu ihm gehabt hätte, würdet ihr es wissen. Ihr habt mich doch sicher überwachen lassen. Sowohl persönlich, als auch meinen Briefverkehr. Ich an eurer Stelle hätte es mit Sicherheit getan. Haben euch eure Spione etwa gesagt, dass ich auf der Seite meines Vaters stehe?“

Die beiden lieferten sich ein Blickduell, das seinesgleichen suchte. Der König starrte Oreas wütend an, und Oreas starrte den König wütend an. Celia hatte das Gefühl für Zeit verloren, als der König endlich nachgab.

„Nun gut, er kann bleiben“, sagte er, und klang dabei etwas eingeschnappt. Es gefiel ihm wohl nicht, dass Oreas die Oberhand gewonnen hatte. Celia schätzte den König als einen Menschen ein, der Kontrolle liebte. Man brauchte sich nur die Stadt anzusehen, die er geschaffen hatte. „Aber auf deine Verantwortung, Melanon“, setzte er noch hinzu.

Melanon nickte.

Der König seufzte. „Also, zum nächsten Punkt. Wer ist die Elfe?“

Celia merkte auf. Sie wollte schon antworten, da kam Melanon ihr zuvor.

„Celia.“

„So, Celia also. Und von wo kommt sie?“

Celia hielt es für besser, nicht zu antworten und Melanon das Gespräch zu überlassen. Jedenfalls, solange sie nicht direkt angesprochen wurde. Er wusste einfach besser, wie man mit ihm umzugehen hatte, und sie wollte nicht unangenehmer als nötig als nötig. Irgendwie hatte sie schon so ein Gefühl, dass der König sie nicht mochte. Also würde sie zwangsläufig jede Unterstützung brauchen, die sie kriegen konnte. Der König … es schockte sie immer noch, dass Melanon ein Prinz war. Sie hatte wirklich mit allem gerechnet, nur nicht damit. Aber da sie ja selber eine Prinzessin war, konnte sie es akzeptieren. Sie verstand nur nicht, wieso Oreas es sich erlauben konnte, so unhöflich mit dem König umzugehen.

Melanon ließ sich Zeit mit seiner Antwort. „Sie ist eine Waldelfe.“

Die vier Worte hatten eine Wirkung, mit der Celia nicht gerechnet hatte. Der König setzte sich abrupt gerade hin und starrte sie an. Instinktiv machte sie einen Schritt zurück. Sie wusste nicht, was los war. Die Art, auf die er sie anstarrte. Ungläubig. Aber auch mit einer starken Abneigung. Wieso reagierte der König so merkwürdig darauf, dass sie eine Waldelfe war. Bisher hatten alle komisch reagiert. Nur nicht so.

„Und was“, er atmete schwer „macht eine Waldelfe außerhalb ihres Waldes?“ Er schien kurz vorm Explodieren. Offenbar war das unkontrollierbare Temperament noch etwas, was Melanon nicht von seinem Vater geerbt hatte. Zum Glück.

„Sie wollte mehr über die Menschen wissen, Vater.“

„Hat sie das gesagt, ja?“

„Ja.“

„Und wie lange wird es dauern, bis sie sich den Rebellen anschließt, was meinst du? Mit diesem verdrehten Gerechtigkeitssinn der Waldelfen bestimmt nicht lange. Ein Jahr? zwei Jahre? Länger wird es mit Sicherheit nicht dauern, bis sie zu dem Schluss kommt, dass die Welt so wie sie ist vollkommen falsch ist. Die Waldelfen passen nicht in diese Welt. Sie soll wieder in ihren Wald verschwinden! Hier will ich sie nicht haben! Sie ist eine Gefahr für mein Land!“

„Sie ist nicht Toheras, Vater.“

Toheras?! Celia war wie vom Donner gerührt. Sie kannten ihren Vater? Er lebte noch? Sie wusste wirklich nicht, was sie in diesem Moment fühlen sollte. Freude? Ja, sie freute sich definitiv. Sie konnte es nicht erwarten, sich auf die Suche nach ihm zu machen. Und sie hatte endlich einen Anhaltspunkt. Sie hätte Melanon schon früher nach ihm fragen sollen. Er hätte ihr bestimmt geholfen. Doch dann sickerte die Realität zu ihr durch, das, was die Menschen in diesem Saal offenbar mit ihrem Vater verbanden. Einen Verräter. Eine Gefahr. Der Gedanke machte ihr angst. Aus zweierlei Gründen. Sie hatte auch Angst, ihm tatsächlich zu begegnen. Es war plötzlich nicht mehr bloß der Traum eines kleinen, einsamen Mädchens. Es war real. Und vielleicht wollte er sie gar nicht sehen. Vielleicht würde er ihr sagen, sie solle wieder gehen. Er war ja nie zurückgekommen. Und vielleicht, ganz vielleicht, war er nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte, flüsterte eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf, so leise, dass sie sie fast überhörte und so schnell wie möglich wieder verdrängte. Und würde Melanon ihr wirklich helfen? Nachdem, was über ihren Vater gesagt wurde, bezweifelte sie es. Was er wohl getan hatte? Würde Melanon überhaupt noch mit ihr zu tun haben wollen, nachdem er von ihrem Vater erfahren hatte? Was war hier überhaupt los? Hoffentlich würde Melanon es ihr bald erklären. Er konnte sich auf jeden Fall auf einige Fragen einstellen. Denn Celia verstand einfach nicht, was hier los war. Es waren zu viele Informationen auf einmal, als dass sie sie zu einem Ganzen zusammensetzten konnte.

„Nein, sie ist nicht Toheras, aber sie ist garantiert wie er. Die Waldelfen sind doch alle gleich“, erwiderte der König trotzig. Ein Ton, der nicht zu ihm passte, notierte Celia leicht abwesend. Ein Ton, wie man ihn von einem kleinen Kind erwarten würde, das versuchte, mit seiner Mutter um Süßigkeiten zu argumentieren.

„Du übertreibst, Vater, du hast erst einen Waldelf getroffen. Sie sind mit Sicherheit nicht alle wie die anderen.“

„Und woher willst du wissen, dass es nicht so ist? Sag, Elfe, es hat kein Elf jemals den Wald verlassen, bis auf einen. Kanntest du ihn?“ Er sah sie mit demselben Grinsen an, wie Cherad es immer getan hatte. Wie die Katze den Kanarienvogel. Und sie hasste es. Was sollte sie nur antworten? Sie würde ihm bestimmt nicht verraten, dass er ihr Vater war. Dann wäre sie geliefert. Und schließlich war sie eine Elfe. Und auch wenn die anderen Elfen es ihr nie geglaubt hätten, sie besaß tatsächlich Taktgefühl. Wenn sie wollte. Für menschliche Verhältnisse sogar sehr viel. Und im Moment wollte sie. Außerdem war sie eine Prinzessin, obwohl sie es selber gerne vergaß. Sie hatte gelernt, mit Menschen zu reden und sie richtig einzuschätzen. Der König machte einen Fehler und unterschätzte sie. Sie war kein Kanarienvogel. Sie war auch eine Katze, wenn sie wollte. Garantiert keine leichte Beute.

„Nein, das war vor meiner Geburt.“ Sie log noch nicht einmal.

„Was? So jung bist du noch? Aber bei Elfen kann man das ja schlecht schätzen. Gut, du kanntest ihn nicht. Aber du hast von ihm gehört. Was erzählen sich die Elfen über den guten alten Toheras?“

„Sie erzählen sich eigentlich nichts über ihn, euer Majestät. Nur sehr selten wird er namentlich erwähnt. Ich weiß eigentlich nur, dass er ziemlich merkwürdig gewesen sein sollte. Dass er nicht in den Wald gepasst hat. Die meisten mochten ihn nicht besonders. Meine Großmutter hat mir immer gesagt, dass ich bloß nicht wie er werden soll, weil das für mich böse ausgehen würde.“

Der König hob die Augenbrauen. „Offenbar mögen die Waldelfen ihn genauso gerne wie die Menschen. Kein Wunder, dass er gegangen ist.“ Celia war erleichtert. Es schien so, als hätte sie einen guten Anfang gemacht. Jetzt durfte sie sich nur keinen Patzer erlauben. Sie war immer noch nicht aus dem Schneider. Innerlich hasste sie sich für das, was sie gerade getan hatte. Dabei hatte sie wirklich nicht gelogen. Nicht direkt, jedenfalls. Aber dem König schien ihre Antwort gefallen zu haben, und das war alles, was in diesem Moment zählte.

„Was hältst du bisher von der Menschenwelt … Celia?“ Er hatte ihren Namen benutzt, ein gutes Zeichen, er nahm sie als Person wahr.

„Hmm, das ist schwierig, weil mir schon so viel passiert ist. Aber im Großen und Ganzen mag ich es. Die Städte sind ein bisschen laut und in Erador stank es fürchterlich, aber das ist hier zum Glück besser. Die Menschen, die ich kennen gelernt habe, waren auch nett … na ja, bis auf die Banditen, die-“

„Banditen?“ Der König war sichtlich irritiert.

„Ja Vater, wir wurden auf dem Weg von Erador hierher überfallen. Glücklicherweise sind wir alle mit dem Schrecken davon gekommen.“

„Ihr wurdet überfallen? Das waren garantiert keine normalen Diebe. Ihr macht schließlich nicht unbedingt den Eindruck, als hättet ihr irgendetwas Wertvolles bei euch. Jemand muss dich erkannt und verraten haben, Melanon“ Die Augen des Königs musterten Celia und Oreas. Doch bevor einer von beiden protestieren konnte, hatte Melanon das Wort wieder ergriffen.

„Sie haben mir das Leben gerettet, Vater, also sieh sie nicht so an. Wenn sie mich nicht geweckt hätten, wäre ich tot. Du weißt, Elfen hören besser als Menschen. Celia wusste ja noch nicht einmal, dass ich ein Prinz bin. Und ich glaube auch nicht, dass ich erkannt wurde. Vermutlich hatten sie es auf den Wagen des Händlers abgesehen, den wir ein Stück des Weges begleitet haben.

„Sie haben dir das Leben gerettet, würdest du das erläutern?“

„Ich denke, dass sollten sie lieber selber tun. Ich habe ja nicht alles mitbekommen.“

Jetzt sah der König Celia und Oreas erwartungsvoll an, von denen keiner wirklich erzählen wollte, was passiert war. Celia erbarmte sich schließlich.

„Ich habe etwas außerhalb des Lagerplatzes geschlafen, weil es ein Wald war, und ich mich da wohler fühlte. Dann bin ich mitten in der Nacht aufgewacht, weil es zu ruhig war. Da dachte ich mir, dass etwas nicht stimmt und wollte die anderen warnen. Oreas war schon wach, als ich beim Lagerplatz ankam, und hat mir gesagt, was ich tun sollte. Er hat die Banditen abgelenkt und ich habe Melanon geweckt. Zusammen haben wir es geschafft, sie in die Flucht zu jagen, aber ich hatte trotzdem ziemliche Angst. Das war das erste Mal, dass ich so bedroht wurde.“ Sie wollte wirklich nicht ins Detail gehen und hoffte der König würde die Geschichte so akzeptieren. Einige Dinge blieben wohl auch besser ungesagt, zum Beispiel, dass Melanon gezaubert hatte. Oreas hatte ihr ja erklärt, dass er das eigentlich nicht durfte und sie wollte ihren Freund nicht in Schwierigkeiten bringen. Um das ganze zu unterstreichen setzte sie ihren besten unschuldig-leidenden Blick auf, und es schien tatsächlich zu wirken.

„Nun, da ihr meinem Sohn das Leben gerettet habt, kann ich euch schlecht wegschicken. Sie können beide bleiben.“ Er winkte mit der Hand, was zu bedeuten schien, dass das Gespräch jetzt beendet war. Es war das letzte, was Celia an diesem Tag von dem König zu sehen bekam, und sie war mehr als froh darüber.

Zusammen mit Oreas und Melanon folgte sie einem der Diener durch das unübersichtliche Labyrinth aus weißen Gängen, bis sie vor einer Tür stehen blieben, die der Diener öffnete, bevor er leise weghuschte. Melanon befahl ihm noch, seiner Mutter bescheid zu geben, dass er sie in seinen Gemächern zu sprechen wünschte. Er war nicht dafür geschaffen, Befehle zu geben, entschied Celia. Es lag ihm einfach nicht. Noch etwas, was ihn von seinem Vater unterschied. Beim König sah es so aus, als wäre es das Natürlichste der Welt, während Melanon sich einfach nur nicht wohl in seiner Haut zu fühlen schien. Einen Moment lang fragte sie sich, wie seine Mutter wohl war, ob er ihr ähnlicher war.

„So, hier werdet ihr bleiben. Ich werde in mein altes Zimmer ziehen. Oreas, du weißt hoffentlich noch, wo es ist“ Oreas nickte. Dann verabschiedete Melanon sich mit einem Lächeln von ihnen und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Sein Lächeln wurde immer trauriger, stellte Celia betrübt fest. Ronia bekam ihm nicht. Sie wollte ihn hier nicht gerne alleine lassen. Nun, das hatte wohl zwei Gründe. Die peinliche Stille, die jetzt zwischen ihr und Oreas herrschte war der andere.

„Das hast du geschickt gemacht“, hörte sie Oreas sagen.

„Hmm?“

„Wie du den König dazu gebracht hast, dich nicht auf der Stelle köpfen zu lassen, meine ich. Du hast ihm genau das gesagt, was er hören wollte“

Celia errötete wegen des Komplimentes. „Du hast das gemerkt? Ich hoffe, er hat das nicht getan.“

„Keine Sorge, dann hätte er dich erst recht hinrichten lassen.“ Oreas’ Meinung vom König war offenbar noch niedriger als die von ihr.

„Ich schätze, es hat seine Vorteile, als Prinzessin aufgewachsen zu sein. Das lernt man so was. Aber ich schätze ich war im Vorteil, weil er mich unterschätzt hat.“

Oreas nickte. Dann schwiegen sie wieder beide und die unangenehme Stille kehrte zurück. Celia konnte sehen, wie Oreas versuchte, sich zu einer anderen Frage durchzuringen. Sie fragte sich, wann sie ihn so gut kennen gelernt hatte, dass sie das erkennen konnte. Zu Anfang war es ihr sehr schwer gefallen, seine Mimik zu deuten. Vielleicht lag es daran, dass man seine Gedanken diesmal besonders gut ablesen konnte. Ein paar Mal öffnete er leicht den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Was war es bloß, was er fragen wollte? Sie wusste beim besten Willen nicht, was ihn an ihr interessieren könnte oder was er von ihr wissen wollte. Aber offenbar gab es etwas.

„Sag mal“, begann er schließlich „stimmt das, was du über Toheras gesagt hast, oder hast du da gelogen.“

„Ja, es stimmt, jedenfalls teilweise, wieso?“, antwortete Celia verwundert. Warum interessierte er sich für ihren Vater? Sie konnte es sich wirklich nicht erklären. Bestimmt kannte er ihn, aber da war noch mehr, das spürte sie. Oreas antwortete nicht, also entschloss sie sich, etwas mehr zu erzählen: „Die Waldelfen mochten ihn wirklich nicht besonders. Den meisten hat er furchtbar Leid getan, weil er so rastlos und unzufrieden war. Und, weil er so früh gestorben ist.“ Oreas stutzte. „Ja, die Elfen denken, die Menschen hätten ihn umgebracht, weil er nicht wieder zurückgekommen ist, weißt du.“

„Nein, das war sicher nicht der Grund.“ Oreas lächelte bitter. So kannte sie ihn nicht. Sonst war er immer wütend, wenigstens ein bisschen. Aber nun war er melancholisch, er erinnerte sie an Melanon, und vermutlich waren sich die beiden ähnlicher, als sie vermutet hatte. Irgendwie hatte sie die beiden immer völlig unterschiedlich eingeschätzt. Oreas als wütend und leicht reizbar und Melanon als ruhig und freundlich. Ob in Melanon auch irgendwo ein Oreas schlummerte?

„Kennst du ihn?“, fragte Celia neugierig. Auch, wenn sie es sich wirklich schon denken konnte, anders ließ sich Oreas’ Interesse wirklich nicht erklären.

„Kann man so sagen.“ Er machte eine Pause und verzog das Gesicht. „Er ist zwar mein Vater, aber deshalb muss ich ihn noch lange nicht kennen. Nicht wirklich.“

Celia starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Hatte Oreas das wirklich gerade gesagt? Sie musste sich verhört haben. Aber sie hatte es doch verstanden.

„Dein Vater?“, fragte sie ungläubig und mit zitternder Stimme. Das konnte nicht sein. Das war unmöglich.

„Ja, leider“, sagte Oreas voller Verachtung.

„Das kann nicht sein.“ Sie sagte, was sie dachte.

Oreas runzelte die Stirn. „Es ist aber so. Auch wenn ich mir seit Jahren wünsche, es wäre nicht so. Ändern kann ich das nicht. Und ich bedaure es jeden Tag meines Lebens“ Seine Stimme triefte nur so vor Hass und Bitterkeit. Da war sie wieder, die unbändige Flamme in seinen Augen.

„Das kann nicht sein“, wiederholte sie. Es konnte wirklich nicht sein. Es ging nicht. Ihr Vater hätte niemals … das war bestimmt nur ein Missverständnis … oder ein Traum, versuchte sie sich einzureden. Auch wenn sie wusste, dass dem nicht so war.

„Und wieso nicht?“, fragte Oreas genervt. Er wollte wirklich nicht, dass die Elfe in seinen Wunden herumstocherte. Als er sie aber sah, merkte er, dass das nun wirklich nicht ihre Absicht war.

Celia sah ihn an. Tränen standen ihr in den Augen. Sie hatte sich auf eines der gepolsterten Sitzmöbel gesetzt. Die Beine waren angewinkelt und sie hatte die Arme um sie geschlungen. Das konnte nicht sein. Er hatte ihrer Mutter doch versprochen, zurückzukommen. Ihr Vater würde sein Versprechen halten. Tränen liefen ungehindert ihre Wangen hinunter. Ihr Vater hatte sie verraten. Er war nicht zurückgekommen. Er hatte eine neue Frau getroffen. Und er hatte ein neues Kind bekommen. Und dieses Kind saß ihr jetzt gegenüber. Sie hatte einen Bruder. Und der sah sie jetzt fragend an.

„Was ist los?“ Oreas war verwirrt.

Celia schluckte und atmete ein paar Mal tief durch. Mit ihrem Arm wischte sie die Tränen weg. Sie musste es ihm sagen. Er hatte ein Recht darauf, es zu wissen. Aber sie wusste nicht, wie. Sie schluckte noch einmal.

„Er hatte Mutter doch versprochen, zurückzukommen“, flüsterte sie, und machte eine weitere Pause, um ihre Tränen zurückzudrängen und ihre Stimme wieder soweit in den Griff zu kriegen, dass sie ihr nicht mehr versagte. „Deshalb habe ich immer geglaubt, dass er zurückkommen würde. Dass ich ihn endlich kennen lernen würde. Ich habe so oft davon geträumt, dass er mich mitnehmen würde um mir die Welt zu zeigen, die ich schon mein ganzes Leben sehen wollte. Ich wollte nur, dass er wiederkommt. Aber er ist nicht gekommen. Deshalb dachten alle er wäre tot, weil er es versprochen hatte.“ Sie machte noch eine Pause. Oreas starrte sie entsetzt an. Offenbar konnte er genug von ihrem Rumgestammel verstehen, um den Sinn zu erkennen. Sie lächelte traurig. „Mutter hatte ihm noch nicht einmal von mir erzählt. Ich war ja noch lange nicht geboren. Und als ich dann da war, da haben alle gesagt, wie ähnlich ich ihm bin. Ich wollte immer die große weite Welt sehen und Menschen treffen. Und ich habe immer so viel riskiert. Ständig war ich wegen irgendetwas in Schwierigkeiten. Aussehen tue ich wie meine Mutter, aber meinen Charakter habe ich von ihm, das haben alle gesagt.“ Ihre Stimme stockte wieder und der Kloß im Hals wollte einfach nicht mehr verschwinden. Sie hatte die ganze Zeit geflüstert, aber sie war sich sicher, dass Oreas jedes Wort verstanden hatte.

„Du bist seine Tochter.“ Er sog scharf die Luft ein. Es war eine Feststellung gewesen. Seine Stimme zitterte. Er hatte sich auch gesetzt und umklammerte die Kante des Tisches, auf dem er saß.

Celia nickte, auch, wenn es überflüssig war.

„Du bist Toheras’ Tochter.“ Sie nickte wieder.

Lange Zeit saßen sie einfach nur da und schwiegen einander an. Es war einfach zu bizarr. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Vater vielleicht einfach nicht zurückgekommen war, weil er in der Menschenwelt ein besseres Leben hatte. Eine bessere Familie. Sie war immer davon ausgegangen, dass er einfach nur zuviel zu tun hatte. Oder dass er den Weg nicht gefunden hatte. Sogar damit, dass er tot war, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Sogar das war wahrscheinlicher als der Gedanken, dass er nicht wieder zurück wollte. Sie schluchzte. Und jetzt hatte sie einen Bruder. Und sie wusste nichts mit ihm anzufangen, weil sie so einen schlechten Start gehabt hatten. Er mochte sie nicht einmal.

Irgendwann durchbrach sie die Stille. „Erzähl mir von ihm“, verlangte sie mit brüchiger Stimme. Oreas hob den Kopf und schien einige Sekunden zu brauchen, bis er sie verstanden hatte. Dennoch dauerte es etwas, bis er anfing zu antworten.

„Vater … Vater ist ein schwieriger Mensch. Elf, wenn man es genau nimmt. Vielleicht hatten die anderen Elfen ja Recht, als sie gesagt haben, dass du ihm ähnlich bist. Irgendwie. Aber nicht ganz. Vater ist ein Idealist. Und er kümmert sich um Dinge, die ihn nichts angehen. Dafür ignoriert er die Dinge, um die sich kümmern sollte. Er folgt immer einer Art größerem Ziel, weißt du. Dafür verrät er seine Freunde, auch obwohl sie ihm etwas bedeuten. Wir hatten einen Streit deswegen. Nachdem meine Mutter gestorben war. Danach wurde er irgendwie so rastlos, als bräuchte er unbedingt eine neue Beschäftigung. Ich wollte, dass er mir beim Hof hilft. Aber er wollte die furchtbare Welt verbessern. Mich hat er alleine gelassen. Mit dreizehn. Weil ihm Fremde wichtiger waren als ich. Und mir hat er damit mein Leben ruiniert, aber das war ihm egal.“ Man hörte ihm an, wie bitter und verletzt er war. Er war kurz davor, zu weinen, aber Celia sagte nichts dazu, sie wollte ihn nicht gegen sich aufbringen.

„Er und der König waren einmal gute Freunde“, fuhr er fort. „Der König mochte meinen exotischen Vater. Und mein Vater mochte ihn. Vielleicht war es auch nur die Aufmerksamkeit. Keine Ahnung. Damals war ich noch zu klein, um das alles zu verstehen. Aber dann hat er angefangen ihn zu kritisieren. Ihm zu sagen, dass er sich mehr um sein Volk kümmern muss. Er hat ihm gesagt, dass er mit schuld den Problemen seiner Bürger ist. Wie du aus unserem kleinen Treffen heute schließen kannst, mag der König keine Kritik. Und erst recht keine direkte. Sie haben sich zerstritten. Das war kurz nachdem Melanon nach Perelos geschickt wurde. Und Vater hat sich mit einer Gruppe von Leuten zusammengetan, die sich gegen ihn auflehnen. Weil er das Leben der Menschen verbessern will. In Wirklichkeit macht er alles nur noch schlimmer, aber das sieht er ja nicht.“

Die beiden schwiegen sich wieder an. Jeder war damit beschäftigt, das neue Wissen in das Bild ihres Vaters einzufügen.

„Ich verstehe ihn nicht“, sagte Celia schließlich.

„Da bist du nicht allein“, erwiderte Oreas.

„Womit ist sie nicht allein?“ Zwei Köpfe fuhren herum.

Melanon stand in der Tür und sie beide hatten die Scharniere überhört, so versunken waren sie in ihren Gedanken. Er sah abwechselnd von einem zum anderen. Es dauerte, bis Celia ihn erkannte. Er trug nicht mehr dieselbe graue Kutte wie sonst. Stattdessen trug er ein blaues Gewand mit langen, wallenden Ärmeln, zahlreichen gestickten Details und einer Unmenge goldener Knöpfe. Als Celia ihn erkannte, konnte sie nicht anders, als offen zu starren. Er sah so … anders aus. Ja, anders war ein gutes Wort. Sie konnte die Art der Veränderung nicht wirklich benennen, aber es war, als wäre er ein komplett anderer Mensch. Es war nicht so, dass ihm diese Kleidung nicht stand. Das war es mit Sicherheit nicht. So sah er nur mehr wie ein Prinz aus. Etwas, das Celia niemals vermutet hätte. Kleider machten eben doch Leute.

„Damit, dass sie Vater nicht versteht“, antwortete Oreas matt.

Melanon zuckte mit den Schultern. Eine Geste, die in dem blauen Gewand irgendwie merkwürdig aussah. „Toheras versteht wohl kaum einer. Außer deiner Mutter vielleicht.“ Er sah sich die beiden noch einmal an. Und runzelte die Stirn. Celia war klar, dass sie und Oreas ein ungewöhnliches Bild abgeben mussten. Sie selbst hatte sich auf dem Sofa zusammengekauert und war furchtbar verheult. Oreas saß auf dem Tisch und krallte sich immer noch in die Kante. Es musste inzwischen wehtun. Und natürlich konnte Melanon nicht im Geringsten ahnen, was los war.

„Vater lässt euch ausrichten, dass er euch nach der langen Reise nicht zuviel zumuten will, deshalb könnt ihr hier essen. Mit anderen Worten: Er will euch heute nicht mehr zu Gesicht bekommen. Die Diener werden das Essen bringen. So erspart ihr euch jedenfalls das zweifelhafte Vergnügen, mit meinen Geschwistern zu speisen. Bis Morgen, da wird eure Anwesenheit ausdrücklich erwünscht.“ Er erhielt keine Reaktion.

„In Ordnung, raus mit der Sprache, was ist hier los?“

Wieder antwortete keiner. Oreas starrte in die Leere und Celia versuchte krampfhaft überall hinzusehen, nur nicht zu den beiden. Die Blumenvase in der Ecke zum Beispiel war sehr interessant, oder das feine Muster des Steines auf dem Boden. Die feinen, gräulichen Linien mit dem teilweise bräunlichen oder bläulichen Einschlag, zerteilten den weißen Stein in viele kleine Eisschollen. Offenbar musste sie ihre Meinung über Ronia revidieren. Es war nicht weiß, es war nur weißlich.

Oreas atmete schließlich tief ein, vermutlich, um sich etwas zu entspannen, und zog damit die Aufmerksamkeit Melanons und Celias auf sich.

„Als ich gesagt habe, dass sie Vater nicht versteht, habe ich nicht von meinem Vater gesprochen, sondern von unserem“, es war Celia ein Rätsel, wie er das in einem sachlichen trockenen Ton hervorbringen konnte. Ohne zu stottern, noch dazu.

Es herrschte Totenstille. Celia schniefte. Oreas atmete hörbar wieder aus. Und Melanon sah wieder von einem zum anderen. Celia nickte nur leicht, um die Aussage ihres Bruders (das klang in ihren Ohren einfach nur fremd und ungewohnt) zu bestätigen.

„Oh“, war das einzige, was Melanon dazu einfiel. Komisch, dabei hatte er sonst immer etwas Intelligentes gesagt. Das musste ihn wirklich geschockt haben. Und so ganz verarbeitet hatte er es wohl auch noch nicht. Denn er blinzelte immer noch. „Ihr seid also Geschwister?“, hängte er noch an.

Oreas schnaufte. Man konnte das wohl als „ja“ deuten. Die Stille wurde erst wieder unterbrochen, als drei Diener mit vollbeladenen Platten den Raum betraten. Es war Celia ein Rätsel, wie es ihnen gelang, die riesigen, mit Essen beladenen Dinger zu balancieren. Sie waren garantiert furchtbar schwer. Aber es klappte, und sie sahen dabei sogar irgendwie elegant aus.

Als sie schließlich vor ihr standen, staunte sie nicht schlecht. Sie wusste beim besten Willen nicht, wer das alles essen sollte. Es hätte locker für sechs Personen gereicht.

Das Essen wurde eine schweigsame Angelegenheit. Jeder nahm sich, was er mochte, oder in Celias Fall, das, wovon sie dachte, dass es ihr schmecken könnte. Sie kannte die ganzen Sachen nicht. Beziehungsweise erkannte sie nicht. Das Essen war in eine so kunstvolle Form gebracht worden, dass sie einige Gemüse- und Obstsorten nicht erkannte, obwohl sie sie schon gegessen hatte. Am Ende blieb über die Hälfte übrig. Was für eine Verschwendung.

Melanon verabschiedete sich und sagte, er würde am nächsten Morgen wiederkommen. Um sie „zur Folter abzuholen“, wie er es ausdrückte. Celia hatte jetzt schon Angst vor seiner Familie, obwohl sie erst seinen Vater getroffen hatte.

Celia und Oreas blieben alleine zurück. Sie schwiegen sich weiter an, bis Oreas schließlich aufstand und zu seinem Zimmer ging. An der Tür hielt er inne und brummte ein „Gute Nacht“.

Celia wünschte ihm das gleiche. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, blieb sie noch eine Weile sitzen, bis sie es ihm gleichtat. In ihrem Zimmer holte sie sich ihr Schreibzeug aus ihrem Rucksack, von dem sie keine Ahnung hatte, wie er hier hin gelangt war, und schrieb alles auf, was an diesem Tag passiert war. Vor allem das, was Oreas über ihren Vater erzählt hatte. Sie verstand ihn wirklich nicht. Und sie musste einsehen, dass das Bild, das sie von ihm hatte, falsch war. Aber noch hatte sie kein neues Bild, um das zerstörte zu ersetzten. Und das verunsicherte sie, denn das Bild von ihrem Vater hatte sie ihr ganzes Leben lang begleitet. Ohne es fehlte ihr ein Teil ihrer Identität, denn sie hatte sich immer über ihren Vater definiert. Sie wusste nicht, ob sie noch länger wie er sein wollte. Oder überhaupt mit ihm verglichen werden wollte. Ihr ganzes Ich war in seinen Grundfesten erschüttert worden.

Oreas war eine ganz andere Sache. Und sie fühlte sich ihm auf eine nicht genau zu erklärende Art nahe. Vielleicht lag es daran, dass sie beide von demselben Menschen im Stich gelassen wurden. So konnte sie ihn auch besser verstehen. Warum er so war. Und warum er so abweisend auf sie reagiert hatte. Für Celia stand fest, dass sie ihren Bruder (sie hatte sich immer noch nicht an dieses Wort gewöhnt) besser kennen lernen wollte. Er war schließlich ihre Familie. Und vermutlich war er ihr ähnlicher, als sie beide wussten. Schließlich waren sie beide dem Rest ihrer Familie nicht besonders nahe. Celias Verwandtschaft verstand sie nicht und belächelte sie. Und Oreas’ Verwandte wollten nichts mit ihm zu tun haben (sie erinnerte sich an den Besuch bei seinem Vetter). Auf eine verdrehte Art war auch beides die Schuld ihres Vaters. Sie hoffte nur, dass Oreas sie akzeptieren und nicht zurückstoßen würde.

Sobald sie die Gelegenheit dazu hatte, würde sie außerdem Melanon und vielleicht Oreas ausfragen. Etwas ging in diesem Land vor, was sie nicht im Geringsten verstand. Und sie wollte Antworten, denn es hatte mit ziemlicher Sicherheit mit ihrem Vater zu tun. Und somit auch mir Oreas, egal wie sehr er es zu ignorieren versuchte. Und da Melanon der Prinz war, war er zwangsläufig auch in alles verstrickt. Noch so ein Punkt. Melanon hatte ihr eine Menge zu erklären.

Als sie sich endlich hinlegte, stellte sie fest, wie sehr der Tag sie erschöpft hatte. Sie war praktisch sofort eingeschlafen.