Insomnia
Kaltgeschwitzt schreckte sie hoch, und nach einigen Sekunden der orientierungslosen Verwirrung, die sie so oft nach dem Aufwachen plagte, stellte sie fest, dass sie in ihrem Bett war. Sie wusste, dass das der Moment war, in dem sich alles in ihr wieder beruhigen sollte, weil sie feststellte, dass es doch nur ein Alptraum war, doch die irrationale Panik hatte sich in die Realität hinübergerettet und hielt ihr Herz fest in ihrem eisigen Griff. Kurz versuchte sie, wieder einzuschlafen, doch die Aussicht wieder ins Reich der Träume zurückzukehren ließ die Angst nur noch weiter stiegen. Am Ende genügte ihr rasendes Herz alleine um sie wach zu halten. Sogar jeder Gedanke, den sie im Wachsein an den Schlaf verwandte, jagte ihr Schauer über den Rücken.
Beschäftigen, sagte ihr ihr Instinkt, auch wenn es in Wirklichkeit vielmehr ein in langen Jahren antrainiertes Verhalten war. Sie dachte eigentlich, dass sie das alles schon hinter sich haben sollte, aber ihr rasendes Herz strafte diesen Gedanken Lüge. Fahrig fuhr sie sich durch die Haare, bevor sie automatisch nach der Fernbedienung tastete, die sich dann auch nach zwei fruchtlosen Versuchen einfand.
Der Flimmerkasten erwachte zu neuem Leben und nichtssagende Bilder flackerten hin und her, doch nichts vermochte sie von ihrer Paranoia zu erlösen. Stattdessen erinnerte sie sich nur noch mehr an alles und nichts, denn die Traumbilder verschwammen immer mehr während sich ihr Eindruck nur noch verstärkte. Sie brauchte etwas Besseres.
Ein Buch. Doch auch wenn es ihre Aufmerksamkeit ablenkte, das nagende Gefühl ließ sich nicht vertreiben und lauert wie ein dunkler Schatten am Rande ihres Bewusstseins. Und sie war zu müde, um lange genug auf die Wörter zu schauen und ihnen ihren Sinn zu entreißen. Entnervt legte sie den Roman aus der Hand und fuhr sich wieder durch die Haare, eine schlechte Angewohnheit, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte.
Das konnte doch nicht sein! Nervosität und Frustration kochten in ihr hoch. Das war doch nicht normal. Sie hatte seit Jahren keinen Alptraum mehr gehabt, und selbst dann … seit sie acht war, hatte sie es problemlos geschafft, wieder einzuschlafen, meistens hatte es bloß Minuten gedauert. Wütend schlug sie mit der Faust in ihr Kissen. Sie war doch kein Baby mehr. Entschlossen legte sie sich wieder hin und umklammerte ihr Kissen hilfesuchend. Doch immer noch wollte sie einfach nicht einschlafen. Sie hatte ein ganz mieses Gefühl bei der Sache, und gleichzeitig hasste sie sich selbst wegen dieser Schwäche.
Die Wut verdrängte schließlich den Schrecken des Traumes aus ihrem Kopf. Wie von selbst entspannte sich ihre Atmung und ihr Herz schlug langsamer, bis sie in einen unruhigen Schlaf hinüberglitt, während sie in ihren letzten wachen Gedanken froh darüber war, immerhin musste sie am nächsten Tag früh aufstehen.
*
Draußen vor dem Fenster lauschte etwas gebannt, bis ihre Atmung so flach geworden war, dass es sicher war, dass sie nicht aufwachen würde. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, es hatte schon befürchtet, heute keine Beute machen zu können.
Ende