Fünf Regeln für das Verhalten bei Beerdigungen
Regel #1: Kenne den Feind!
Informiert euch im Vorfeld über das Gelände, den Feind (in unserem Falle der Pastor) und das Prozedere. Informiert euch genau. Und lasst euch alles drei Mal erklären. Und das vor JEDER Beerdigung. Denkt nicht, nach zwei Mal wisst ihr, wie das abläuft.
Punkt 1: Das Gelände. Jede Kirche ist anders, und deshalb läuft auch jede Beerdigung anders ab. Erkundigt euch vorher, wo die Kirche sich befindet, es könnte übel ausgehen, wenn ihr zu spät kommt.
Punkt 2: Der Feind. Der Pastor (oder Priester oder was auch immer) ist ein wichtiger Faktor für die Beerdigung. Unter Umständen müsst ihr euch darauf vorbereiten, einen betrunkenen Stotterer im Halbschlaf vor euch zu haben. In diesem Fall empfiehlt es sich, vorher ein Pokerface (siehe Regel #2) zu üben und die Augen offen zu halten.
Punkt 3: Das Prozedere. Das wichtigste an einer Beerdigung, und das, was am meisten voneinander abweicht. Nehmen wir zum Beispiel den Teil, in dem der Sarg aus der Kirche getragen wird. Einfach, sollte man meinen. Aber das ist es nicht. Im Normalfalle wird der Sarg hinausgetragen und zum Grab gebracht und die Trauergäste folgen. Im Normalfalle. Hierbei ist zu beachten, dass es unerlässlich ist, die Reihenfolge der Trauergäste beizubehalten. Die näheren Angehörigen zuerst, dann die Freunde usw. Bei kleineren Beerdigungen stellt das keine Herausforderung dar. Aber bei größeren kennt man einen Großteil der Anwesenden nicht. Man kann sich fürchterlich blamieren, wenn man sich vor eine Tante drängelt, die eigentlich erst hätte gehen müssen.
Dazu kommen die Sonderfälle. Es gibt Kapellen, bei denen folgt man nicht dem Sarg, weil der Eingang nicht groß genug dafür ist, bzw. die Steigung zu steil ist. Die Reihenfolge der Trauergäste ist trotzdem unbedingt einzuhalten. Eine weitere regionale Besonderheit ist das einmalige Umrunden der Kirche/Kapelle. Bei größeren Trauergemeinschaften kann das eine Herausforderung darstellen!
(Dieser Abschnitt ist nur für die etwas über 50 Prozent der Bevölkerung, die mit zwei X-Chromosomen geboren wurden, bzw. die, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben) In manchen Gegenden ist es üblich, dass Frauen (oder auch Mädchen) einen Blumenstrauß in das noch offene Grab werfen. Je nach Gegend wird außerdem das Ritual mit der Schaufel vollzogen (die drei Schippen ins Grab). Das variiert! Und ihr wollt euch doch nicht blamieren, in dem ihr das einzige weibliche Wesen seid, dass die Schaufel benutzt, oder? ODER? Dachte ich es mir doch.
Regel #2: Das Pokerface
Das Pokerface ist ein essentieller Teil einer jeden Beerdigung. Man muss feierlich und betroffen wirken (wahlweise mit Tränen). Unter keinen, ich wiederhole KEINEN, Umständen, darf man sein Pokerface vernachlässigen. Es zieht unangenehme Blicke auf sich, wenn man beim Betreten der Kapelle einen Lachkrampf bekommt. Ihr denkt das geht nicht? Ihr irrt euch. Oder wie würdet ihr reagieren, wenn ihr beim Betreten der Kapelle euren entsetzten und wütenden Cousin seht, der gerade herausgefunden hat, dass man ihn auf dem Trauerkranz zu eurer Cousine gemacht hat. Und wenn er sich dann auch noch mit dem Beerdigungsunternehmer anlegt ist es wirklich schwer, sich zurückzuhalten.
Außerdem empfiehlt es sich nicht, über das substanzlose Gestottere oben erwähnten besoffenen Pastors zu lachen. Selbst wenn der das nicht mitbekommt (er ist ja im Halbschlaf). Eure Verwandten tun das. Und das sind Hyänen. HYÄNEN! Die werden euch das noch Jahre nachtragen und euch nichts mehr zu Weihnachten schenken. Jawohl.
Es wird außerdem davon abgeraten, schmerzhaft das Gesicht zu verziehen. Egal, wie falsch eure Tante hinter euch singt. Egal, ob sie das Hohe C sprengt und euch ins Ohr spuckt. Damit handelt ihr euch nur einen Ellenbogen in die Rippen und einen strengen Blick eurer Mutter ein!
Regel #3: Die strategische Positionierung
Bei Beerdigungen gibt es eine bestimmte Sitzordnung ähnlich der Reihenfolge beim Verlassen der Kapelle/Kirche (siehe Regel #1). Man sollte sich trotzdem strategisch gut positionieren. Und zwar in der Nähe der in Regel #2 Abschnitt drei erwähnten Tante. Jeder hat sie. Ihr solltet euch vorher erkunden, welche es ist. Wichtig ist es dabei, die richtige Tante zu wählen. Wenn möglich sollte sie älter sein. Und ihr solltet auf eine ausreichende Distanz zu dieser Tante achten (damit nicht das in Regel #2 Abschnitt drei beschriebene Eintritt). Wichtig ist dieser Punkt, große Hilfe. Wenn ihr in der Nähe besagter Tante sitzt. Hört niemand, wie falsch ihr singt. Oder besser, es reicht, den Mund zu bewegen, weil man euch über ihr Geschrei sowieso nicht hört.
Regel #4: Die zwangslose Konversation
Bei Beerdigungen werdet ihr garantiert Leute treffen, die ihr nicht kennt. Passt bloß auf, was ihr sagt, wenn so jemand in eurer Nähe steht oder sitzt. Ihr könntet etwas Falsches sagen. Zum Beispiel könntet ihr über den Mann der neben euch steht sagen, dass er schon längst tot ist. Ihr denkt, dass passiert nicht? Es ist passiert, also macht euch keine Illusionen. Es gibt Menschen, die hängen an ihrem Leben und finden den Gedanken, schon lange in einer Holzkiste zu liegen nicht amüsant. So macht man sich Feinde!
Fragt außerdem nie jemanden mit dem ihr redet, wer er ist, oder nehmt etwas an und sagt es ihm. Glaubt mir, eure Großtante ist bestimmt geschmeichelt, wenn ihr sie für die Frau ihres Sohnes haltet, aber ist er das? Das steht zu bezweifeln. Redet also nur über etwas absolut Unverfängliches. Am besten über euch selbst, so erspart ihr es euch nämlich, dass die Leute Dinge über euch annehmen.
~{an dieser Stelle ist Schluss für all die, bei denen es keinen Beerdigungskaffee/ Leichenschmaus gibt}~
Regel #5: Die strategische Positionierung Teil 2
Beim Beerdigungskaffee ist die Position des Sitzplatzes um ein Vielfaches wichtiger als bei dem Gottesdienst. Einfach deshalb, weil es wesentlich länger dauert. Oder wollt ihr etwa permanent von der Töle im blauen Pullover das Essen klauen lassen, nur weil Tante Eva aus Polen das Vieh nicht alleine lassen wollte? Nein, das dachte ich mir. Also passt besser auf.
Punkt 1: Setzt euch niemals neben Leute, von denen ihr wisst, dass sie alles nur noch schlimmer machen würde. Ihr wisst schon dass Tante Elvira euch jedes Mal schlecht macht? Dann setzt euch auch nicht in ihre Nähe. Und die nervenden Bälger eurer Cousinen streiten sich immer und ihr kriegt dabei das Törtchen ins Gesicht? Bloß weg von denen.
Punkt 2: Setzt euch in eine Ecke. Oder ans Ende einer Tafel. Da bemerkt euch keiner, es ist leiser und ihr seid vor möglichen Attacken am sichersten. Ihr wollt nicht, dass Tante Inge euch halb tot drückt, weil ihr ihr so leid tut. Sorgt dafür, dass sie euch nicht sieht. Am besten versteckt ihr euch hinter einer Zimmerpalme.
Punkt 3: Jetzt solltet ihr besonders aufpassen. JA. AUFPASSEN! Setzt euch niemals, unter keinen Umständen, neben Leute, die ihr nicht kennt. Ihr könntet Glück haben, aber das ist nicht gesagt. Ihr könntet neben Tante Dorothea landen, die ihr noch nie in eurem Leben gesehen habt und die auf den ersten Blick ganz nett wirkt. Noch so ein Punkt: Vertraut nicht darauf, dass die Leute so nett sind wie sie wirken. Nur so nebenbei. Tante Dorothea geht nämlich regelmäßig zum Stammtisch und hält alle Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger für Sozialschmarotzer, denen man das Geld streichen sollte. Was? Ihr findet, dass man das nicht verallgemeinern soll? Ihr habt in der Schule aber mal ausgerechnet, wie viel so ein Sozialhilfeempfänger bekommt und könntet selber kaum davon leben? Denkt ihr etwa ernsthaft, Tante Dorothea glaubt euch das? Pustekuchen, dazu müsstet ihr erst Mitte 50 sein. Und erzählt ihr bloß nicht, dass ihr die Grünen wählt. Oder noch schlimmer, die PDS! Tante Dorothea reißt euch den Kopf ab und versucht den ganzen Nachmittag, euch zu bekehren.
Ihr könntet außerdem neben Leuten landen, die die Bibel mögen. OK soweit nicht das Problem, aber wenn sie dann einen ganzen Nachmittag über Passagen reden, von denen ihr noch nie gehört habt (obwohl ihr euch durch zwei Jahre Konfirmandenunterricht gequält und Religion-Leistungskurs habt). Könnt ihr euch etwas Öderes vorstellen? Ich ja.
Ihr könntet neben jemandem landen, der den ganzen Nachmittag darüber redet, wie furchtbar das Leben ist, dass er Arthritis hat, seine Tochter ihn auf sein ganzes Geld verklagt, dass er arbeitslos ist, und so weiter. Depressionen wollt ihr schließlich nicht haben, oder.
Und zu guter letzt Punkt 4: Der betrunkene Stotterer im Halbschlaf, der schon die Zeremonie abgehalten hat, ist KEINE Option!
So, wenn ihr das alles beachtet, solltet ihr euch auf Beerdigungen weder blamieren noch zu Tode langweilen!
Ende