Alias
Namen besäßen Macht. Methos hatte diese Weisheit auf die eine oder andere Art sein ganzes Leben lang gehört. Als er noch jung war, war es gang und gäbe Magie zu benutzen, um seine Feinde zu verfluchen – sofern man ihre Namen kannte. Später, zu Zeiten der Ägypter und Römer, wurde er Zeuge von mehr als einem Fall von damnatio memoriae – einer Strafe, bei der der Name eines Verbrechers aus der Geschichte und dem Gedächtnis der Menschen getilgt werden sollte. Doch ihn selbst hatte all dies eigentlich nie gekümmert, zumindest die ersten paar tausend Jahre seines Lebens nicht. Methos war einfach Methos, und blieb es auch. Wenn er zu lange an einem Ort gelebt hatte, genügte es fortzugehen. In jenen Tagen musste man nicht noch dazu seinen Namen, seine Identität und seine Sozialversicherungsnummer ändern. Ein paar hundert Meilen Distanz waren genug, um ein neues Leben zu beginnen.
Dann, eines Tages irgendwann zu Beginn des Mittelalters, traf Methos einen Unsterblichen, der seinen Kopf wollte. Und nicht einfach nur seinen Kopf, weil er unsterblich war. Nein, der Mann war hinter dem Kopf des ältesten Unsterblichen her, und er nannte ihn beim Namen. Nachdem zwei weitere Unsterbliche dasselbe versuchten, wusste Methos, dass es an der Zeit war, Methos – den ältesten Unsterblichen – im Dunkel der Vergangenheit verschwinden zu lassen. Die Frage war nur, wer er als nächster sein würde. Denn Namen besaßen Macht, und sie waren nichts, was man sich mir nichts dir nichts aussuchte. Weder für die eigenen Kinder, noch für sich selbst.
Und so versteckte sich Methos hinter dutzenden von Namen, einem neuen in jedem zweiten oder dritten Jahrzehnt. Im Gegensatz zu anderen Unsterblichen hielt er nicht an einem Vor- oder Zunamen fest, nicht einmal an Initialen, aus dem Wunsch heraus, sich einen Splitter seiner Identität zu bewahren. Das war nicht der Sinn der Sache. Er ließ es sich aber nicht nehmen, subtile Muster beizubehalten. Als er das erste Mal einen neuen Namen suchte, war das Christentum auf dem Vormarsch, und mit ihm Namen aus der Bibel, deren Ursprünge ihm schon seit Jahrhunderten vertraut waren. Er kannte die Geschichten, die Namen waren ihm aus seiner Zeit in der Levante altbekannt, und so entschied er sich dafür, einen biblischen Namen zu wählen. Zuerst dachte er an Adam – eine Anspielung darauf, dass Adam eine Maske war, hinter der sich der älteste Unsterbliche verbarg, ein Mensch ohne Vater und Mutter – doch er entschied sich dagegen. Es war doch ein wenig zu offensichtlich. Stattdessen entschied er sich für Abel, das erste Mal. Adam würde später kommen, mehrfach sogar. Weitere Favoriten waren Benjamin, Joseph, Simon, David und Noah. Ins neue Testament wagte er sich selten.
Aber Adam, wenn man Adam Pierson fragen würde, war einer seiner Lieblingsnamen. Schade nur, dass er ihn bald wieder würde ablegen müssen. Adam Pierson war ein guter Name. Er hatte unter dieser Identität neue Freunde gefunden – Freunde, die Adam Pierson überdauern würden, genauso wie die Identität, die auf ihn folgen würde. Er hatte sich verliebt wie seit hundert Jahren nicht mehr, und er hatte wieder gelernt, was es bedeutete, Methos zu sein. Er hatte mit seiner Vergangenheit abgeschlossen. Es tat fast schon weh ihn loszulassen, aber er wusste, dass es sein musste. Methos war schließlich nicht der älteste Unsterbliche geworden, weil er aus bloßer Sentimentalität an Dingen festhielt, die eine Bedrohung für ihn werden konnten.
Es war an der Zeit Adam zu begraben und jemand anderes zu werden. Nur wer?
Ende